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Unverstandene Kolumnistin

Die Kolumnistin zeigt Wirkung. Ursula Ott, die in Sonntag Aktuell immer wieder ihre „andere Meinung“ schreiben darf, sieht sich genötigt, etwas richtigzustellen: Sie hasst die Lehrer nicht, sie hasst überhaupt niemand. Wer sie anders sieht, versteht sie falsch. So steht es jedenfalls in der Ausgabe vom 21.06.09.

Und so bekommt die Schule auch mal ein Lob: Es sei ein „Riesenjob“, weiß Frau Ott, „30 und mehr Kinder zu fördern, zu fordern und manchmal schlicht zu bändigen.“ Wie wahr! Danke für die Blumen; sie waren mal nötig.
Aber wie konnte es zu dem „Missverständnis“ überhaupt kommen? Die Antwort ist einfach: Es liegt am Argumentationsstil der Kolumnistin. Sie verwendet gerne einen Einzelfall, zum Beispiel eine Lehrkraft, als schlechtes Beispiel. Der Leser, dem das Beispiel plastisch vor Augen gestellt wird (Frau Ott kann schreiben!), generalisiert es. Und schon ist es passiert: So sind sie, die Lehrerinnen und Lehrer.

Ein Beispiel gefällig? In ihrer letzten Kolumne haben wir Frau Ott als pflichtbewusste Mutter beim Elternsprechtag erlebt (siehe den Eintrag Untypische Lehrperson in diesem Blog). Sie begegnet dort einer Lehrerin, die den Eltern nicht die Hand geben will, der Hygiene und Gesundheit wegen. Ein Einzelfall und völlig untypisch. Aber wir Leser nehmen die Botschaft mit: Die Lehrerinnen und Lehrer, die ja so wichtig sind, zeigen sich unhöflich, beschädigen auf diese Weise die Institution Schule und gefährden dadurch den Erziehungs- und Bildungsauftrag. So macht man Stimmung. Es wäre schon gut, wenn Frau Ott endlich kapieren würde, dass Beispiele nichts beweisen, sondern allenfalls Thesen veranschaulichen können. Dazu müssen sie jedoch typisch sind. So lernt man es in der Schule.

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Unübersichtliche Gerätewartung

Medizinische Geräte müssen ständig überprüft und gewartet werden. Das ist aufwendig und daher teuer. Der Klinikverbund Südwest, dem auch das Sindelfinger Krankenhaus gehört, hat eine geniale Idee, wie man das Ganze billiger machen kann. Man übergibt den Prüfauftrag an die Firma Philips. Dadurch erspart man 1,5 Millionen Euro, ein „Geldsegen“, den man reinvestieren kann. (So steht es in der Sindelfinger Zeitung vom 19.6.09.) Investieren in neue „Computerthomographen“?
Einschub: Ich empfehle, das h bei „thomo“ wegzulassen. Den „Schnitt“ („tomus“) schreibt man im Griechischen mit tau (t) und nicht mit theta (th).

Nach der Lektüre des Artikels kommen mir doch einige Fragen. Diese Prüfarbeit, das „Herzstück des Verbundes“, wie es im Artikel liebevoll heißt, wurde bisher von fünf eigenen Technikern erledigt. Die werden nun nicht etwa entlassen; sie müssen, heißt es, „nicht um ihre Arbeitsstellen bangen“. Das ist erfreulich. Aber man fragt sich dann schon: Woher kommt die Ersparnis? Die Personalkosten bleiben erhalten; die hinzugekaufte Firma Philips bekommt Geld für die Prüfung der Geräte; die Qualität der Wartung steigt („Betreuung unserer Patienten auf höchstem Niveau“) – und trotzdem wird alles finanziell günstiger. Das ist ein Wunder, dessen rationale Erklärung uns der Bericht versagt. Vermutlich ist es so: Die fünf Techniker haben „fallweise einen der rund 400 Hersteller mit ins Boot geholt“. Das war offenbar sehr teuer.

Die nächste Frage: Weil die Firma Philips offenbar über die Kompetenz der 400 Hersteller verfügt, kann sie jedes beliebige medizinische Gerät warten. Ein weiteres Wunder, an das man angesichts der Komplexität moderner Technik nicht so recht glauben mag. Oder müssen die Leute von Philips dann auch wieder andere „ins Boot“ nehmen, wenn es zu kompliziert wird? Und wer zahlt das dann?

Das Bonbon für Philips ist zugleich die dritte Frage: Der Technikkonzern darf „bei der Planung im Technikbereich“ beraten. Und also seine eigenen Geräte verkaufen? Aber nein, sagt der Geschäftsführer des Klinikverbunds. Wie also? Die Firma Philips empfiehlt das Gerät der Konkurrenz, weil das eigene nichts taugt? Das ist das dritte Wunder. Daran zu glauben fällt mir schwer.

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Unebene Fahrwege

Sindelfingen hat ein großes Problem: Der Stadt fehlt viel Geld. Der größte Gewerbesteuerzahler der Kommune, eine Firma, die dem Vernehmen nach besonders noble Karossen herstellt, hat es geschafft, den Sinn des Wortes Steuer umzudrehen. Nun zahlt Sindelfingen Gewerbesteuer an die Autobauer. Es handelt sich um ein Konjunkturprogramm der besonderen Art.

Wie zu hören ist, muss die Stadt zur Finanzierung dieser die Wirtschaft fördernden Maßnahme Kredite aufnehmen. Das ist nicht originell. Damit liegt sie ganz auf der Linie von Bund und Ländern. Auch die verschulden sich gewaltig, um, wie man sagt, „die Wirtschaft anzukurbeln“ (ein Bild aus der Autosprache?).

Aber die Sindelfinger Finanzfachleute haben dazu noch eine ganz besonders originelle und listige Idee: Wenn uns „der Daimler“ kein Geld gibt, so ihre Überlegung, dann lassen wir zum Ausgleich die Straßen verkommen. Es gibt eine Schlaglochtiefe, die rechtlich gerade noch erlaubt ist, das heißt die Stadt vor Strafanzeigen bewahrt. Wie tief es gerade noch geht, das wird derzeit offenbar mit Experten der Versicherungsbranche abgeklärt.

So werden also künftig die großartigen Autos mit dem Stern auf holprigen Straßen fahren müssen. Die Schlaglöcher werden zum Symbol der Löcher in der Stadtkasse. Wer sein Auto schonen will, muss langsamer fahren. Auch so kann man unsere Gesellschaft „entschleunigen“.