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Ungelöster Knoten

Der Chefredakteur der SZBZ meldet (am 30.06.09) die Lösung eines gordischen Knotens: Die A 81 wird im Bereich Sindelfingen-Böblingen 850 m überdeckelt. Man nennt das übrigens in der Fachsprache „Einhausung“. Dieser Begriff passt insofern besser, als man auf eine Straße nicht einfach nur einen Deckel setzen kann wie auf einen Topf, sondern sie an drei Seiten bedecken muss, um den gewünschten Emissionsschutz zu erreichen.

Für viele sind die 850 m zu wenig; denn weite Bereiche der beiden Städte würden damit auch weiterhin – und künftig noch mehr – unter dem Autobahnlärm leiden. Trotzdem wird dieser Kompromiss gefeiert. „Alle haben sich bewegt“ kommentiert der Chefredakteur.

Aber was hat eine solche Einigung mit einem gordischen Knoten zu tun? Den haben einst die griechischen Götter so kunstvoll geknüpft, dass er nicht zu lösen war. Wer es dennoch schaffte, dem wurde die Herrschaft über Persien (heute haben wir an den Iran zu denken) verheißen. Eine attraktive Belohnung offenbar, denn viele haben sich erfolglos an der Aufgabe versucht. Aber sie war sehr schwierig, wie auch die Lösung des Iran-Problems heutzutage ziemlich verwickelt ist.

Erst Alexander, den man später den Großen nannte, hatte Erfolg. Er schlug den Knoten einfach durch und machte erst gar nicht den Versuch, ihn aufzudröseln. In einer späteren Überlieferungsvariante allerdings soll er den Pflock herausgezogen und so den Knoten aufgelöst haben. Für eine Weile darf Alexander dafür zum Herren in Persien werden.

Und was ist der Lohn für die Lösung des gordischen Knotens A 81, die doch keine Lösung, sondern nur einen den knappen Finanzen geschuldeten Kompromiss darstellt? Weil sich „alle bewegt“ habe, dürfen alle sich des Erfolgs rühmen. Wie schön, wie demokratisch!

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Unpädagogische Nichtversetzung 1: Daten

Unter den Betroffenen nannte man es einst „eine Ehrenrunde drehen“. Diese Formulierung verlieh dem Sitzenbleiben, der Nichtversetzung am Ende eines Schuljahrs, einen Hauch von Besonderheit: nur Sieger drehen Ehrenrunden. Auch wird aus dem statischen Sitzen Mobilität, denn Runden werden gefahren. Allerdings beschränkt sich die Bewegung in Wirklichkeit auf einen Wechsel der Klasse. Dort allerdings langweilt man sich ein Jahr lang und/oder nervt die Lehrer. Ein Lebensjahr wird sinnlos vertan, häufig jedenfalls.

Wir wissen nicht, wie viele Sitzenbleiber das kommende Schuljahr bestehen und mit welchem Erfolg. Wir wissen auch nicht, wem das Wiederholen tatsächlich etwas gebracht hat. Ich vermute, dass es nicht viele sind, sicher nicht mehr als der Hälfte aller Sitzenbleiber.

Am Ende des Schuljahrs 2007/2008 sind 2,5% aller Gymnasiasten nicht versetzt worden; dabei sind diejenigen nicht mitgerechnet, die das Abitur nicht auf Anhieb geschafft haben. 2,5%, das waren 6849 Schülerinnen und Schüler, allerdings bildeten Letztere die Mehrheit (3,2% Jungen gegenüber 1,8% Mädchen). Die meisten Nichtversetzungen gab es am Ende der Klasse 10 (4,3%) und in der Region Stuttgart (2,9%), zu denen Böblingen und der Rems-Murr-Kreis gehören.

Leider macht das Statistische Landesamt keine Angaben über die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die auf Probe versetzt wurden und diese Probezeit bei den Nachprüfungen im Oktober bestanden haben. Wir wissen auch nicht, wie viele nach §1,(3) der Versetzungsordnung versetzt worden sind, bei denen der Zeugniskonvent also der Meinung war, sie könnten es trotz ihrer schlechten Noten im kommenden Jahr schaffen.

Fast siebentausend Wiederholer allein in den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg. Was das den Steuerzahler wohl kostet? Und was es letztendlich bringt? Werden die Wiederholer pädagogisch begleitet? Hat man ein Auge auf sie? Werden sie gefördert? Ich vermute: eher nicht.

Was soll das also, dieses Nichtversetzen? Schon die Sprache ist verräterisch: Man lässt jemanden „durchfallen“ – wo fällt er (oder sie) hin? Jemand bleibt „sitzen“ – und wer hilft ihm (oder ihr) aufzustehen und mit mehr Motivation die Schulzeit zu durchlaufen.

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Unstimmige Metapher 3: Achterbahnfahrt

Wer eine Acht schreibt, fängt in der Regel rechts oben an, fährt nach dann nach oben und anschließend s-förmig nach unten; dann aber geht es in Kurven wieder aufwärts bis zum Anfang. Die Acht ist eine runde Sache Die Achterbahn hat mit der Acht nur wenig gemeinsam: Am Anfang wird man nach oben gezogen, dann geht es wieder nach unten, allerdings nicht gleichförmig, sondern im Wechsel von Ab und Auf. Am Ende ist man wieder unten, in etwa dort, wo man gestartet ist.

Das finanzielle Wechselbad der Sindelfinger Stadtfinanzen wird derzeit gerne mit einer Achterbahnfahrt verglich. So am 25.07.09 vom Chefredakteur der lokalen Zeitung. Er nimmt es zum Anlass, über eine Abkehr von der Gewerbesteuer als Quelle der kommunalen Finanzen nachzudenken. Das geschieht im Übrigen schon lange. Auch die FDP macht sich für eine Reform stark. Die hat natürlich nur in Krisenzeiten wie diesen eine Chance.

Aber stimmt das Bild von der Achterbahnfahrt? Es wäre zu schön; denn dann wäre man am Ende wieder da, wo man angefangen hat, könnte also gut kalkulieren. Aber welchen Punkt nehmen wir bei den Gewerbesteuereinnahmen der Stadt als Startpunkt? Den unten, als die Sindelfingen eher arm war, oder den oben, als sie vom Steuersegen schier erdrückt wurde?

Was die Kommentatoren sagen wollen: Die Steuereinnahmen sind von Jahr zu Jahr unterschiedlich: mal höher, mal niedriger. Mal geht es aufwärts und es kommt mehr Geld in die Kasse, als man erwartet hatte; mal geht es abwärts mit den Einnahmen, und das geschieht leider oft ziemlich unerwartet. Und damit lässt sich nicht solide kalkulieren. Es fehlt die sichere Planungsgrundlage.

Eine Achterbahnfahrt geht schnell vorüber. Sie ist für solche, die es mögen, ein Vergnügen, für das sie auch gerne zahlen. Für Sindelfingen ist die Finanzlage kein Vergnügen, sondern ein teurer Spaß. Am Ende einer Achterbahnfahrt befindet man sich wieder am Boden. Sindelfingen ist auch am Boden – auch auf dem Boden der Tatsachen?