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Unschulische Grammatik 2: Polizei im Plural

Es besteht die Gefahr von „Massengeiselnahmen“ im Bundestagswahlkampf. Das hat der Sprecher der Bundesinnenminister der beiden christlichen Parteien einem Boulevardblatt zugeraunt. Meint er, dass zum Beispiel alle Innenminister auf einmal von islamistischen Terrorgruppen gefangen genommen werden? So etwas in der Art wahrscheinlich.
Jedenfalls ist der genannte Sprecher der Meinung, dass man „jedes Szenario in Betracht ziehen“ müsse, also auch ein solches. Das jedenfalls konnte man als dpa-Meldung auf der Titelseite von Sonntag Aktuell (2.8.09) lesen.
Und dann gerät dem christdemokratischen Sprecher vor lauter Aufregung auch die Sprache unter Beschuss. Die „Polizeien von Bund und Ländern“ müssten sich auf alles vorbereiten, fordert er. Die Polizeien? Da ist ein ganz neuer Plural entstanden, den es so in unserer deutschen Sprache noch nicht gegeben hat. Polizei – dieses Wort hatte bisher keine Mehrzahl. Polizei, das war schon alles. Und ich finde, dabei sollte es auch bleiben.
Die Innenminister haben die Aufgabe, auf unsere Sicherheit zu achten. Sie sollen uns vor dem Terrorismus schützen, einverstanden. Aber sie sollten dabei den Schutz der deutschen Sprache nicht aus dem Auge verlieren. Der Bürger braucht keine Polizeien, sondern nur eine gut funktionierende Polizei. Deren verschiedene Behörden – man spricht auch gerne von „Polizeiapparaten“ – sollten daher reibungslos zusammenarbeiten.

5 Antworten auf „Unschulische Grammatik 2: Polizei im Plural“

Der Duden kennt den „selten gebrauchten“ Plural bereits:

„Po|li|zei die; -, -en ‹über mlat. policia, (spät)lat. politia aus gr. politeía “Bürgerrecht; Staatsverwaltung; Staatsverfassung“)” (siehe Homepage des Duden).

Er ist mir insofern nachvollziehbar: Die Länder haben ihre eigenen heterogenen Richtlinien für die Organisation ihrer Polizei. Dann gibt es noch übergreifende Bundespolizeiliche Einrichtungen. Daher ist hinsichtlich des Ideals der Kooperation – ausgedrückt im Singular „Polizei“ – grundsätzlich Abstimmungsbedarf zwischen den realen „Polizeien“ im Fall einer größeren Aktion (Massenentführung?) erforderlich.

Vermutlich erfolgt die Pluralbildung ähnlich wie beim Begriff der Kirche/Kirchen.

Der Duden hat, wie es seine Art ist, den Gebrauch des Plurals deshalb sanktioniert, weil er eben von manchen verwendet wird. In einer etwas früheren Ausgabe stand “Plural selten”. Der Wahrig ist hart geblieben; er stellt auch in der neuesten Ausgabe fest: nur Singular.
Natürlich kann man den Plural bilden, aber man verändert damit den Sinn des Wortes. Die alte Politeia war der Staat und seine Ordnung als ein Ganzes, eine Art “Idee”. Und die einzelne Dienststelle war der reale Ausdruck der Staatsmacht. In der Verwendung im Plural wird das Wort zu einem technischen Ausdruck für eine Organisation. Man kann eine solche “Rückstufung” natürlich auch begrüßen.

Von einem Ministerium, sollte man mehr sprachliche Sicherheit erwarten, besonders wenn es um eine Pressemitteilung geht.

Ein vertracktes Wort: Der Plural von POLIZEI hat es tatsächlich in sich.

Unter den Links der Thurgauer Kantonspolizei findet sich der Hinweis auf WEITERE KANTONSPOLIZEN. Dabei hat der Macher dieses Unworts offenbar den Duden-Hinweis, der im Plural das ungewohnte POLIZEIEN ergibt, falsch verstanden. Nun findet sich zwar das Wort POLIZEN dann und wann in Internet-Berichten: “Die Polizen waren schon da…” (bei einer Demo), sodass möglicherweise auch diese Form gebräuchlich wird.
Früher war in der Schweiz die Mehrzahlform KANTONALE POLIZEIKORPS die gängige Form; sie es in einigen Kantonen noch heute. Was spricht denn gegen diese (zugegeben: leicht altväterische) eindeutige Wortbildung?
Das neudeutsche SWISSPOLICE jedenfalls kann auch nicht befriedigen.
MfG B. Oe.Hb.

Das erinnert mich ein bisschen daran, dass wir früher Polente zur Polizei gesagt haben. Dann wären das die Polenten… oder gibt es die süß-sauer beim Chinesen um die Ecke?
Wie auch immer: Die Polizei ist und bleibt eine bereits pluralistische Einrichtung.

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