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Unpassender Einstieg

Unter der etwas verquälten Überschrift „Ohne Gesundheit geht nichts einfach“ wird in der SZBZ (vom 5.8.09) eine „Sommerserie“ über Krankenhäuser anmoderiert. Die an sich verdienstvolle Berichtsreihe hätte allerdings einen besseren Start verdient. Der Redakteurin ist als Einstieg leider nichts Besseres eingefallen als ein Wort des pessimistischen und hypochondrischen Philosophen Schopenhauer, nämlich sein sattsam bekanntes und missbrauchtes Diktum, dass Gesundheit nicht alles sei, aber ohne Gesundheit „alles nichts“.

Nun sind die meisten unter uns nicht ganz gesund. Manche hören oder sehen schlecht, manche haben Schmerzen in der Hüfte oder in den Beinen, manche sind allergisch oder haben die Sommergrippe, manche haben es mit dem Herzen oder leiden unter zu hohem Blutdruck. Wer fühlt sich schon uneingeschränkt gesund?

Und da lesen wir in der Zeitung, dass für den, der nicht gesund ist, „alles nichts“ ist. Müssen wir nicht mit unseren Leiden leben? Müssen wir nicht versuchen, auch bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit dem Alltag zurechtzukommen? Ist wirklich „alles“ in unserem Leben nichts mehr, wenn es uns irgendwo wehtut oder wir nicht mehr so können, wie wir wollen?
Nein, da irrt Schopenhauer, und auch die SZBZ befindet sich auf dem Holzweg, wenn sie ihn zitiert. Sie sollte ein wenig sensibler sein, wenn es ums Kranksein geht.

3 Antworten auf „Unpassender Einstieg“

Zur Vermittlung empfehle ich die Aula-Sendung: “Gesund und gleichzeitig krank – über den Fitnesswahn der Deutschen”, Manuskript und Vortrag des katholischen Theologen, Philosophen und Rheinländer Manfred Lütz, die als ein “Highlight” zum 10-jährigen Bestehen der Aula-Sendung am 7.9.2008 erneut gesendet wurde. Text und Podcast finden sich unter:

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/archiv/-/id=660334/nid=660334/did=3671232/1m5jdqq/index.html.

Man sollte die Sendung, wenn möglich, unbedingt nachhören. Denn die Lust des Vortragenden an seiner Verspottung, die gelingende Umkehrung und Relativierung modischer gesellschaftlicher Werte, die Dringlichkeit und notwendige ineinander Verschränkung von Satire und Ernst wird in der Stimme hörbar, macht Lachen und berührt zugleich. Der Vortrag endet mit einem Zitat Schipperges, von dem Schopenhauer vielleicht sagen würde, dass er es gerade so gemeint habe: „Um gesund zu sein, muss man der Welt im Ganzen zustimmen.“

Der Artikel hätte besser in die Bild-Zeitung gepasst, finde ich. (Nichts gegen diese, aber die Formulierung klingt eher nach dieser Klientel.)Davon abgesehen denke ich,dass jeder den Wert der Gesundheit kennt. Ein objektiver Bericht über den Zustand und die Möglichkeiten unserer Krankenhäuser ohne diese Phrasen würde mehr helfen.

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