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Unverständliche Geistlichkeit oder Warum wir Paulus nicht kapieren

Es ist ja nicht so, dass die meisten Menschen nur an Weihnachten in einen Gottesdienst gehen, vielmehr gibt es noch einen anderen Anlass, der sie oft in großer Zahl zu einer religiösen Veranstaltung führt; die Beerdigung. Die ist häufig mit einem Gottesdienst gekoppelt. Und dabei zitieren evangelische Pfarrer gerne den Apostel Paulus in der Übersetzung Martin Luthers.

Im Brief des Paulus an die Römer steht im 14. Kapitel, Verse 7 und 8, ein Abschnitt, in dem es ums Sterben geht, der aber weder beim ersten noch beim zweiten Hören verständlich ist. Luther übersetzt so: „Unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber“. Weiter geht es: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn“. Und das Ganze schließt: „Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“

Das klingt verquer und das liegt an der altertümlichen Sprachform. Das Wort „unsereiner“ ist noch geläufig, aber „unser keiner“ nicht. Es muss heute heißen: „keiner (von uns)“ oder „niemand“. Die reflexive Verwendung der Verben „leben“ und „sterben“ ist im heutigen Deutsch nicht üblich. Wir sagen „sich freuen“ oder „sich wundern“, aber nicht „sich leben“ oder „sich sterben“. Nun könnte man bei „leben“ „sterben“ das „sich“ weglassen, doch dann würde der Sinn des Satzes verfehlt. Also kommt man um eine Präposition nicht herum; sie würde es auch erlauben, das „sich“ stehen zu lassen: „Keiner lebt für sich (allein), keiner stirbt (nur) für sich“. Wir sagen auch nicht: „dem Herrn leben“. Eine solche Dativkonstruktion läuft dem heutigen Sprachempfinden zuwider. Auch hier brauchen wir ein „für“. Dann hieße der etwas vereinfachte Satz: „Wir leben und sterben für den Herrn.“ Will man den (unklaren) Bedingungssatz nicht aufgeben, müsste man sagen: „Wenn wir leben, dann leben wir für den Herrn.“

Am Schluss verwendet Luther einen Genitiv. So schön er klingen mag, er ist heute nicht mehr passend: „Wir sind des Herrn.“ Luther meint: Wir gehören dem Herrn, wir sind sein Eigentum. So könnte man es in heutigem Deutsch sagen.

Es wäre schön, wenn das auch bei Beerdigungen verwendet würde.