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Unzulänglich – der christliche Religionsunterricht

Er hat Verfassungsrang (siehe im Grundgesetz Artikel 7, 3), ist also in seiner Existenz nicht verhandelbar, der Religionsunterricht. Schülerinnen und Schüler, die – obwohl einer christlichen Kirche durch Taufe angehörig – nicht an ihm teilnehmen möchten, müssen ihren Austritt erklären und dabei Glaubens- und Gewissensgründe geltend machen. Danach haben sie – zumindest in Baden-Württemberg – ab Klasse 7 den Ethikunterricht besuchen. Der ist für nichtchristliche Schulpflichtige verbindlich. Einer moralisch-geistlichen Unterweisung kann also kein Jugendlicher entrinnen.

Im Stundenplan der neunten Klasse eines durchschnittlichen dreizügigen Gymnasiums schlägt sich das so nieder: Es gibt (zum Beispiel) zwei Gruppen mit evangelischen, eine mit katholischen Schülern und eine Ethikgruppe; sie liegen auf einer Stundenschiene. Die Schüler der drei Klassen verteilen sich also auf vier Gruppen. Das bedeutet, dass (zum Beispiel) die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9a während der 4. Stunde in der Gruppe 9ab/ev (Raum 210) oder in 9abc/kath (Raum 115) oder in der Gruppe abc/eth (Raum A 14) sind. Sie trennen sich zur moralisch-geistlichen Unterweisung. Das ist in meinen Augen ein Unding. Warum?

Der Religionsunterricht soll nicht nur biblisch-religiöse, geistesgeschichtliche und ethische Basiskenntnisse vermitteln, sondern sich auch mit der Lebenswirklichkeit der Lernenden beschäftigen und ihnen dabei helfen, auf Fragen, die sie beschäftigen, situationsbezogene Antworten zu finden. Viele solcher Fragen tauchen während des Unterrichts in den anderen Fächern auf, also im normalen Klassenverband. Da der Religionsunterricht in Sondergruppen stattfindet, in denen in der Regel Kinder aus verschiedenen Klassen versammelt sind, kann er auf Probleme, die mit der Klasse zu tun haben oder aus ihr kommen, nicht reagieren.

Diese organisatorische Abkoppelung von der Schulwirklichkeit wollen die christlichen Kirchen (derzeit noch) so. Leider. Ihnen ist offenbar die Konfessionalität wichtiger als das geistliche Wohl der Kinder. Die Kirchen sollten sich endlich zu einem überkonfessionellen Religionsunterricht durchringen. Dann würde ein Grund, dass sich die Neuntklässler in der 4. Stunde in verschiedene Räume und zu verschiedenen Lehrern begeben, entfallen und die Klassen blieben auch in der Religionsstunde (fast) komplett.

2 Antworten auf „Unzulänglich – der christliche Religionsunterricht“

Offensichtlich wollen dies auch die Schülerinnen und Schüler so, sonst wären alle im Ethikunterricht.
In unserer pluralistischen Gesellschaft ist es wichtig viele Angebote zu bekommen, sich in eines zu vertiefen und dadurch erst fähig werden in einen fruchtbaren Austausch zu treten.
Ist es nicht ein Vorteil, wenn sich Jugendliche klassen-übergreifend treffen und mit- und voneinander lernen?
Probleme, die in einer Klasse auftreten, könnten z.B. im Deutschunterricht aufgegriffen werden.
Die Überschrift passt für mich auch nicht zum Inhalt. Da wird eigentlich nichts über den Religionsunterricht als solchen ausgesagt.

An Lore: Der Schwerpunkt des kleinen Artikels liegt auf der – in meinen Augen – unglücklichen Konstruktion des Religionsunterrichtes als konfessionelle Veranstaltung. Deshalb enthält er nur Andeutungen zum Inhaltlichen des Faches.
Natürlich kann man auch in dieser künstlichen Gruppe Diskussionen führen und Probleme besprechen. Aber im Klassenverband wäre es einfacher. Dem Deutschunterricht derlei auch noch abzuverlangen, das sehe ich problematisch. Der Deutschunterricht hat ganz andere Aufgaben, zum Beispiel die Vermittlung sprachlicher Fähigkeiten. An denen mangelt es bekanntlich. Wenn es gut geht, kann man beides verbinden, insofern stimme ich Lore zu. Aber das Fach Deutsch hat für das, was es leisten soll, zu wenig Stunden.

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