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Unlösbar – die Sindelfinger Mercedes-Abhängigkeit

Jetzt ist der Jammer wieder groß. Die Firma mit dem Stern will eine Produktionsstätte (die für die C-Klasse) verlagern und damit tausende Arbeitsplätze in Sindelfingen abbauen. Das würde die gesamte Infrastruktur der Stadt treffen: den Wohnungsbau, den Einzelhandel, die Zulieferer. Und natürlich auch die Stadtkasse; die aber ist eh schon leer. Die Tragik einer Kommune.

Die Stadt ist seit Jahrzehnten „vom Daimler“ abhängig. In guten Zeiten ermöglichte seine Gewerbesteuer den Bau von teuren Bauten, die man in den nun schlechten Zeiten nicht mehr erhalten kann. Wünsche des größten Arbeitgebers der Region waren der Kommune stets Befehl. So wuchs das Unternehmen und zugleich wuchs die Abhängigkeit von ihm. Zwar nahm auch die Einsicht zu, dass eine solche einseitige Ausrichtung auf die Autofirma gefährlich ist, aber das Erkennen der Gefahr führte nicht zu ihrer Abwendung. Es blieb dabei: auf Gedeih und Verderb ist Sindelfingen dem Mercedes-Werk ausgeliefert.

Wäre es da nicht ein Segen, wenn die Firma selbst etwas dazu beitrüge, die Bindung zwischen Stadt und Werk zu lockern? Nur wenn dieser Mega-Arbeitgeber kleiner wird, kann es vielleicht gelingen, andere Betriebe wachsen zu lassen. Mit diesem Satz begebe ich mich allerdings in eine kommunalpolitische Gefahrenzone…

4 Antworten auf „Unlösbar – die Sindelfinger Mercedes-Abhängigkeit“

… und beweisen Mut. Daimler hat eine Vormachtsstellung erreicht, die es ihm ermöglicht, jedwelches Zugeständnis von der Stadt zu erzwingen, da es ja ohne Daimler nicht geht. Der beste Weg, auch wenn er schmerzhaft ist, besteht darin, mehr als ein Standbein zu haben. Dieser Schritt von Daimler könnte mehr Freiheit für die Stadt bedeuten, und Freiheit hat eben auch immer einen Preis.

Wer lange das Stehen auf einem Bein trainiert hat, tut sich schwer, sich auf ein zweites zu verlassen, vor allem dann, wenn dieses weniger Muskeln hat und vielleicht kürzer geraten ist. Da bleibt man doch lieber beim bewährten einbeinigen Hüpfen.

Wenn man einen Blick auf die Preisliste der Daimler C-Klasse wirft, dann stellt man schnell fest, dass es eigentlich auf 1000 EUR hin oder her nicht ankommt – zumindest nicht bei dem, was der Kunde zahlen soll. Daimler hat ein strukturelles Problem: sie sind zu klein, um in allen Klassen spielen zu können, sie sind zu perfektionistisch, um die Herstellung Ihrer Produkt in konkurrenzfähige Preisregionen zu bekommen, und sie waren jahrelang zu arrogant, das einzusehen.

Wenn man nun Währungsschwankungen als Argument für billigere Arbeitskräfte in den USA hernimmt, vergisst man, dass diese auch “billiger” ausgebildet sind und dabei auch nicht immer den Premiumansprüchen der Firma gerecht werden können. Das Export-Argument mag kurzfristig ziehen – langfristig zerstört die Daimler-Strategie Marke und Nimbus. Und dann kommt VW und kauft sie auf. Oder es gibt eine tiefgehende Kooperation mit BMW, um mit Gleichteilen und Plattformstrategie mit weniger Einsatz mehr Gewinn zu erzielen.

Was Sindelfingen angeht: die Abhängigkeit ist umso größer, als der zweite Gigant – die IBM – ja schon vor Jahrzehnten das Parkett verlassen hat. Und alles andere sind eben “kleine Fische”.

Sindelfingen sollte sich mit den Arbeitnehmern solidarisieren, es muss kommuniziert werden, dass ein Daimler aus dem “Ländle” kommen muss, sonst ist es keiner. Es gibt ja schon die US-Produkte (R-Klasse, M-Klasse, …), und sie sind definitiv keine “echten” Mercedes-Fahrzeige (wenn auch nah dran).

Dasselbe Spiel ist übrigens im Badischen mit der A-Klasse- und B-Klasse-Produktion: Rastatt baut alles auf, produziert und optiomiert, und nun soll ein Werk in Osteuropa billiger herstellen (und auch hier angeblich näher am Kunden). Zunächst natürlich nur ergänzend….

Bleibt zu hoffen, dass es einen tragfähigen Kompromiss gibt. Bei den Löhnen und Gehältern der Daimler-Angestellten in Deutschland ist sicher noch etwas Luft nach unten – insbesondere im Vergleich mit anderen Herstellern.

An Tobi: Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Kampf für die C-Klasse lohnt. In dieser Größe tut die Firma tut der Stadt nicht gut. Aber ich habe leicht reden; die Folgen einer Schrumpfung der Kommune und ihrer Infrastruktur haben andere auszubaden. Die Stadt ist wie ein Süchtiger von der Droge Mercedes abhängig. Ein Entzug täte weh.

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