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Unseriös – die Koalitionsberichterstattung

Man kann über alles schreiben, man kann auch über nichts etwas schreiben. Wer Geschriebenes liest, meint Bescheid zu wissen. Das ist reichlich unbescheiden; denn wir wissen oft nichts, obwohl wir es meinen, aber das wissen wir nicht. Man merkt: Ich schreibe von der Berichterstattung über die Berliner Koalitionsgespräche.

Was ich zu wissen meine: Im Wahlkampf kann eine Partei ihre Ziele als Programm klar und unzensiert formulieren. Sie will den Wählern sagen: Das wollen wir, wenn wir dürfen. Nach der Wahl braucht das Land eine Regierung. Die besteht bei uns aus mehreren Parteien, die sich auf Gemeinsames einigen müssen. Was dabei herauskommt, nennt man Kompromiss. In Deutschland, wo man solche Übereinkünfte nicht gut findet, spricht man gerne von „faulen Kompromissen“. Die gibt es natürlich, aber ist die Alternative, die Einigkeit darüber, dass man sich nicht einig ist, besser?

Zurzeit werden uns alle Tage in den Abendnachrichten irgendwelche Ergebnisse der schwarz-gelben Koalitionsgespräche mitgeteilt. Die finden die Journalisten meistens nicht gut und kommentieren sie herunter. Die Zeitungen am nächsten Morgen schließen sich an. Die Leser und Bürger glauben nun zu wissen, was auf sie zukommen wird: nichts Gutes. Aber sie wissen nicht, dass sie fast nichts wissen, denn die täglichen Wasserstandsmeldungen sind oft nur Versuchsballone und sagen nur wenig darüber aus, was letztendlich im Koalitionsvertrag stehen wird. Und was dort stehen wird, ist noch lange kein Gesetz, sondern eine Verabredung, eine Absichtserklärung. Bei der Umsetzung dieser Absichten in Gesetze passiert bekanntlich sehr viel. Und es kann auch sonst so einiges passieren, wie wir wissen, zum Beispiel eine Finanzkrise oder ein Krieg in Afghanistan oder eine Umweltkatastrophe.

Was einstmals „hinten“, also am Ende aller Beratungen und Abstimmungen, an Gesetzen herauskommen wird, dürfte mit dem, was jetzt vorne aus den Mündern der Sprecher und Schreiber herauskommt, nur noch wenig zu tun haben. Wer jetzt schon alles für bare Münze nimmt, sitzt unseriöser Berichterstattung auf. Mein Rat: alles, was derzeit geredet und geschrieben wird, nicht ganz so ernst nehmen.