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Übertroffen – Berliner Bildungsfahrplan

Bayerns Ministerpräsident hat sich jüngst beklagt, dass die Nutznießer des Länderfinanzausgleichs sich Dinge leisten könnten, die den Geberländern im Süden der Republik nicht möglich seien. Dafür hat er heftige Schläge bekommen. Schließlich dürfe jedes Land mit seinem Geld machen, was es wolle, gaben die Empfänger kund. Berlin macht in der Schulpolitik was draus. Es übertrifft auch Baden-Württemberg in dieser Hinsicht um einiges.

Laut einer Mitteilung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, nachzulesen auf deren Internetseiten, ist in der Hauptstadt schon jetzt das letzte Kita-Jahr kostenlos, ab 2011 werden drei Jahre umsonst sein. Davon können die Eltern im „reichen Süden“ nur träumen. Im vierten Lebensjahr gibt es in Berlin für alle Kinder einen verbindlichen Sprachtest. Wer Defizite zeigt, muss im letzten Kita-Jahr an einer täglichen Sprachförderung teilnehmen – man beachte: „muss“ und „täglich“. Auch davon sind wir in Baden-Württemberg noch weit entfernt.

In Berlin beginnt die Schulpflicht in dem Jahr, in dem ein Kind sechs Jahre alt wird. Es kann also sein, dass es bereits mit fünf eingeschult wird. Das ist früh, aber das soll so sein, damit alle Kinder möglichst früh gefördert werden. Dass dadurch Jahrgangsstufen übergreifende Klassen entstehen, ist ausdrücklich erwünscht. Ältere und Jüngere sollen gemeinsam lernen.

Auch für die Eltern wird etwas getan. Die Grundschulen bieten, heißt es, „verlässliche Betreuung von 6 Uhr bis 18 Uhr an.“ Das ist sehr zu loben. Allerdings dürfte es nicht billig sein. Doch den Berlinern sei es gegönnt; sie tun was für die Kinder mit dem Geld, das aus Baden-Württemberg kommt.
(Blog-Eintrag Nr. 113)

8 Antworten auf „Übertroffen – Berliner Bildungsfahrplan“

Als gebürtige Berlinerin wünsche ich mir sehr, dass die Innovationen Erfolg haben. Es war ja schon manches Mal so, dass zuvor marode Systeme (Polen) durch gezielte Verbesserungen in kurzer Zeit zu Vorreitern wurden. Vielen Dank einmal für die unterstützende Berichterstattung!

An Nana: Auch wenn einen Baden-Württemberger wurmt, dass hier die Änderungen im System so zäh vonstatten gehen und die Einsparzwänge der Kommunen (es spricht ein Sindelfinger) die Betreuung in den Kitas eher verschlechtern, wünsche ich den Hauptstädtern viel Erfolg beim Umbau. Stellt er sich nicht ein, hat niemand was davon.

Immer noch besser, als wenn sie es für richtigen Unsinn ausgeben würden (zum Beispiel für die Rettung von Opelwerken). Dass man anderen, denen man Geld schenkt, nicht vorschreiben kann, was sie damit machen, ist eine Selbstverständlichkeit.

An Boris: Der Länder-Finanzausgleich ist eigentlich keine Geschenkaktion, sondern soll dazu beitragen, dass in Deutschland vergleichbare Lebensverhältnisse entstehen. Da wurmt es natürlich ein wenig, wenn die (im Bereich Bildung) in Berlin besser zu werden scheinen als bei uns. Aber wir Südstaatler sollten nicht neidisch sein.

Das ist typisch für Neu-Großdeutschland: in Berlin wird das Geld versenkt, und der Süden darf sich den A… aufreißen und bekommt dafür kaputte Autobahnen, unzureichende Kinderbetreuung und die verbrämten Vorwürfe, man zahle zu hohe Löhne.

Löhne runter, dadurch viel weniger Steuern zahlen und die Berliner mal selbst zur Wertschöpfung beitragen lassen… ein Horrorszenario? Nein, Realität in einigen Jahren, wenn die einst prosperierende Industrie im Süden auf Normalmaß oder gar darunter geschrumpft ist. Ich freue mich schon auf den Länderfinanzausgleich aus Berlin und Brandenburg.

Nach einem Klassentreffen (in Berlin) am vergangenen Wochenende, bei dem mir einige berufsmäßig mehr oder weniger zentral “Schul-Interne” ihre Meinung, die wenigstens nicht ganz einheitlich war, über die Berliner Rahmenbedingungen zur Schulreform mitteilten, weiß ich nun nicht, ob diese typische Zweifel äußerten oder grundsätzliche Mängel der Durchführung der “Reform” hervorhoben:

– die Reform muss vor der nächsten Wahl ohne ausreichende Vorbereitung “durchgepeitscht” werden;
– Kleingruppen (an der Sonderschule) werden ohne Ersatz aufgelöst, daher bringt die Veränderung insgesamt eine Kostenersparnis, was pädagogisch natürlich äußerst ungünstig ist;
– keine ausreichenden Fortbildungen der beteiligten Lehrer in Bezug auf Binnendifferenzierung! Sie werden also künftig in hererogeneren Lerngruppen unterrichten wie bisher. Und es heißt: “Vogel friss oder stirb”, für Lehrer und Schüler. Vielleicht “fressen” sie ja und überleben auf überraschend creative Weise.

“Lerning by doing” – das ist nicht nur ein altes pädagogisches, sondern auch ein lebensbewährtes Prinzip. Muss man akzeptieren, dass es auch, im weitesten Sinn, in der Bildungspolitik seine Gültigkeit hat?

Dieser Beitrag von Nana gießt Wasser in den Wein der wunderbaren Berliner Schulwelt. Drei Aussagen stimmen nachdenklich: Die Reform wird durchgepeitscht (wie üblich in der Politik), die Lehrer müssen sich durchwursteln (“Vogel friss oder …” – worin besteht eigentlich die Nahrung?) und die Theorie als wichtige Begleiterin der Praxis (beim “Lernen im Tun”) scheint sich rar zu machen. Da wird bestimmt was draus – aber was?

“Vogel friss oder …” – Passend Nahrung wird nicht bewusst zurecht gestellt, aber Vogel findet sie ungeahnt selbst. Manchmal gibt es das. Utopie in der Wirklichkeit.

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