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Über das Verwöhnen

In der letzten Kolumne von Sonntag Aktuell (20.12.09) schreibt Frau Ott über die verwöhnte nachfolgende Generation, die immer das Neueste haben müsse und mit ihren Konsumwünschen die Eltern an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringe. In dem an Beispielen reichen Text sticht die Bemerkung über eine Fünfzigjährige hervor, die ihre eigene Hautpflege auf Nivea-Niveau gesenkt hat, um mit dem Ersparten die teuren Kosmetika ihrer Tochter zu finanzieren. Die Kolumnistin selbst übernimmt den abgelegten Elektronikschrott ihres Sohnes, der dafür das Neueste vom Neuen in sein Zimmer stellen darf.

Nun sind das, verglichen mit den Einschränkungen der Hartz-IV-Kinder, banale Probleme, die diese Mittelschichtfamilien kultivieren. Aber es zeigt, wie sich die Werte verschoben haben. Eltern haben sich schon immer zugunsten ihrer Kinder eingeschränkt. Sie sollten genug zu essen haben, etwas zum Anziehen, eine anspruchsvolle Ausbildung bekommen. Es gibt dafür viele Beispiele weltweit. Doch sich selbst einschränken, um der Kosmetika und der elektronischen Geräte willen, die den Nachwachsenden angeblich eine höhere Lebensqualität ermöglichen?

Da wir uns Weihnachten nähern, sei es daran verdeutlicht: Das Jesuskind brauchte eine Krippe zum Schlafen, immer mal wieder eine frische Windel, eine Mutter, die es stillte und mit ihm sprach. Und ein Vater, der sich ums Überleben von Mutter und Kind sorgte. Schön, dass der kleine Jesus auch noch von Engelschören beglückt wurde. Die Zuwendung der armen Hirten war gut für das Kind. Völlig daneben waren die Geschenke der drei Männer aus der Fremde: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Natürlich ist die damit verbundene Symbolik wunderbar, aber das Kind als Kind war dessen nicht bedürftig, um später einmal – immerhin sind es noch fast drei Jahrzehnte bis zum öffentlichen Auftreten – als Wanderprediger, Heiler und von Schuld Erlöser erfolgreich tätig zu sein.

Kinder brauchen keine verwöhnenden Eltern, sondern solche, die ihnen zugewandt sind, sich um sie kümmern und sie mit dem Notwendigen versorgen.
(Blog-Eintrag Nr. 126)

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Übersehen – Blog-Eintrag 125

Wieder einmal hat Häckerling, der Blog-Schreiber aus Sindelfingen, Anlass, ein kleines Jubiläum zu begehen. Zum Jubeln ist ihm allerdings nicht, weniger wegen der bescheidenen Resonanz seines Internet-Tagebuchs, sondern weil diese runde Eintragung mit einem äußerst kantigen Weltereignis zusammenfällt. Es ist der Tag des Scheiterns der Großen dieser Welt. Sie haben sich zu Großem auf den Weg nach Kopenhagen begeben und dort nicht einmal etwas Kleines zustande gebracht. Kleinlaut und hoffentlich auch schuldbewusst sind die Klimaverbesserer wieder nach Hause gereist.

Dass sie scheitern würden, haben viele vorausgesehen. Die professionellen Unken haben es schon immer gewusst, dass in Dänemark nichts herauskommen würde. Andere allerdings, die professionellen Optimisten, meinten den politischen Betrieb so gut zu kennen, dass sie die Meinung vertraten, man könne sich ein Scheitern des Klimagipfels nicht leisten und würde daher auf den letzten Drücker zu einem passablen Ergebnis kommen. Fazit: Die Unken hatten recht.

Das Klima wird sich um diese Konferenz nicht scheren und sich so entwickeln, wie es das schon immer getan hat: unerwartet. Es war ja auch dem Ganzen nicht förderlich, dass just dann, als es um die Bekämpfung Welterwärmung gehen sollte, eine ziemliche Kälte Europa heimsuchte. Als ob sich das Klima über den Klimagipfel lustig machen wollte.

Der Eintrag 125 an diesem 19. Dezember 2009 handelt vom Übersehen, dem eigenen Übersehen-Werden ein wenig, aber mehr noch von dem, was die Weltpolitiker übersehen haben: Indem die Großen der Welt keinen Beitrag gegen die Erwärmung der Erde leisteten, trugen sie um so mehr zur Steigerung der Verdrossenheit über sie selbst bei.

(Blog-Eintrag Nr. 125)

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Überschrieben – Alliteration in der Zeitung

Ob bei der Stuttgarter Zeitung Alliterationen und Anaphern in der Überschrift erlaubt seien, wurde ein Redakteur von Schülern gefragt (18.12.09). Die müssen einen anspruchsvollen Deutschunterricht genießen, wenn sie mit diesen Begriffen umgehen können. Die Antwort des Mannes von der Zeitung, der mit der Anapher nichts anfangen kann: Im Prinzip sei gegen diese Stilmittel nichts einzuwenden. Warum auch? Dazu sind sie schließlich da.

Die Alliteration kommt in der mittelalterlichen Dichtung beim Stabreim vor. Das grauslige Hildebrandslied liefert dazu ein Muster. Ob die Schüler es gelesen haben? Gemeint ist, dass Wörter, die nahe beieinanderstehen, in ihren Anfangsvokalen oder -konsonanten übereinstimmen: „Angst im Alltag der Arbeit“, „Luft und Leben“, „Brich mit den Hungrigen dein Brot“.

Suchen wir mal in der genannten Zeitung nach Überschriften dieses Musters. Gleich auf der ersten Seite ist zu lesen: „Wer wenig verdient, ist viel wert“ – über die volkswirtschaftliche Bedeutung von Putzfrauen. Und links daneben steht: „Grundsteuer steigt“ – in Stuttgart. Das wird auf Seite 21 gesteigert: „Die Grundsteuer steigt so stark wie nie zuvor“ – eine gekonnte Steueralliteration. Auf Seite 4 können wir lesen: „Merkel mahnt globale Kraftanstrengung an“ – in Kopenhagen. Seite 9: „Manager meditieren im Kuhstall“ – das baut offenbar Stress ab. Seite 11 steht eine Überschrift mit doppelter Alliteration: „Bosch beteiligt Mitarbeiter an Kosten der Kurzarbeit“ – so will man ihre Nichtentlassung finanzieren.

Schließlich auf Seite 18 die wunderbare Überschrift: „Nachfrage durch Nachwuchs“ – ein Leserbrief über die ökonomische Seite des Kinderkriegens. Und auch Anaphern hat die Zeitung zu bieten: „Mal lyrisch, mal dramatisch“ und „Ohne Mann, ohne Kind und ohne Dach in Barcelona“. Wieder einmal mehr liefert die aktuelle Zeitung Material für den Unterricht. Die Schüler könnte es freuen.

(Blog-Eintrag Nr. 124)