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Nachhelfen durch Nachhilfen

Jetzt haben wir es schriftlich: Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland erhalten in großem Umfang Nachhilfeunterricht; am meisten die Gymnasiasten, aber auch nicht wenige Grundschüler und Realschüler. Baden-Württemberg liegt ganz vorne; dort wird ein beträchtlicher Teil der insgesamt 1,5 Nachhilfe-Milliarden ausgegeben. In einer SWR-2-Sendung zu diesem Thema (am 8.3.10) haben die Diskussionsteilnehmer (eine Elternvertreterin, ein gymnasialer Schulleiter und der Bildungsforscher Klemm) übereinstimmend den Grund der Misere benannt: Das Schulsystem bei uns taugt nichts.

Mit anderen Worten: Wenn die Schulen es fertig brächten, jedes Kind zu fördern, müsste es nicht in die Nachhilfe gehen und sich dort den individuellen Unterricht kaufen. Dem kann man „im Prinzip“ nicht widersprechen. Aber der Theorie, man müsse einfach 1,5 Mrd. Euro zusätzlich ins Schulsystem investieren und könne so das Problem lösen – für die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme fehlt der Beweis durchaus. Geld ändert nicht viel. Es muss sich auch einiges ändern.

Denn die meisten Schulen und ihre Lehrkräfte haben zum Beispiel eines noch nicht gelernt: die Individualisierung des Unterrichts, die Stärkung der Lernverantwortung der Kinder, das Eingehen auf die Besonderheit jedes einzelnen Lernenden. Daran fehlt es im dreigliedrigen Schulwesen, aber auch in den Gesamtschulen. Das frontale Unterrichten klappt im Großen und Ganzen, aber mit dem helfenden Unterrichten (dem „Nachhilfeunterricht“ im eigentlichen Sinn) tun wir uns offenbar schwer. Das ist auch nicht einfach, diese Kompetenz muss man als Lehrkraft kennen lernen, vermittelt bekommen, einüben und praktizieren. Dazu gehört die Schulung der diagnostischen Fähigkeiten, also des Blicks dafür, was ein Kind zum Lernen braucht. Mit 1,5 Mrd. Euro könnte man zwar einiges in diesem Sinne bewegen, aber man muss es als Schulbehörde durchsetzen (wollen) und sich als Lehrkraft nicht sperren (dürfen).

(Blog-Eintrag Nr. 161)