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Hin- und wegsehen

Nicht nur in den Internaten, auch in den gewöhnlichen Halbtags- und Ganztagsschulen, in Vereinen und Jugendgruppen passieren ständig Dinge, die nicht in Ordnung sind. Lehrer und Schüler sind keine unfehlbaren Wesen, sondern oft bequem, unsensibel, unbeherrscht, verführbar und aggressiv. Darunter leiden andere. Dies ganz zu verhindern wird nicht möglich sein, es zu verringern, das sollte im Leitbild jeder dieser privaten und öffentlichen Einrichtungen stehen. Dass man es auch tut, dafür sind alle verantwortlich, insbesondere ist es die Leitung einer solchen Institution.

In einem Interview mit der ZEIT (Online-Ausgabe 17.3.10) fordert Enja Riegel, die langjährige Leiterin einer Wiesbadener Reformschule, etwas längst Bekanntes: eine Kultur des Hinsehens. Damit meint sie:

„Alle Menschen an einer Schule sollen und können beobachten, was sich zuträgt, vom kleinen Vandalismus über das Mobbing bis zum Missbrauch. Jeder kann sich fragen, warum ein Kind plötzlich immer stiller wird oder blasser. Und wer etwas Besorgniserregendes sieht, sollte dann auch eingreifen und handeln: Er oder sie sollte zum Schulleiter gehen oder zu einer Vertrauensperson und das Gespräch suchen. Das hat mit Denunziation nichts zu tun, sondern damit, Schwierigkeiten ins Auge zu blicken.“

Eigentlich ist das eine klare Sache. Dass es im Alltag damit doch nicht wie gewünscht klappt, liegt an der „Kultur des Wegsehens“. Wer hinsieht, muss reagieren, wer wegsieht, kann seine Unwissenheit als Entschuldigung vor sich hertragen. Es ist einfach leichter, nichts zu sehen und nichts tun zu müssen. Denn wie gesagt: Menschen sind fehlbare Wesen. Die Leiter von pädagogischen Einrichtungen haben deshalb die wichtige Aufgabe: die Wegschauer zur Rechenschaft zu ziehen.

(Blog-Eintrag Nr. 166)