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Alice im Sterbeland

Sie ist 1970 geboren und gilt als literarische Hoffnung: Judith Hermann, derzeit wohnhaft in Berlin, Prenzlauer Berg. 2009 hat sie „Alice“ veröffentlicht; das ist kein Roman, aber auch keine Sammlung von Erzählungen – oder doch irgendwie: das Buch hat fünf Kapitel mit fünf Geschichten von fünf Männern, die alle sterben oder schon tot sind. Und was hat das mit Alice zu tun?

Alice ist die Frau, die den Lebensweg der sterbenden Männer gekreuzt hat und ihnen auf sehr unterschiedliche Weise begegnet ist. Ob sie ihnen nahe war, bleibt offen, aber ihr Tod geht Alice nahe. Sie erlebt ihn als Beunruhigung, Bedrohung und Verlust. Die Toten verändern ihr Leben.

Mit Micha, dem „Helden“ der ersten Geschichte, war Alice befreundet, ehe er sich mit Maja verbunden hat. Nun liegt er im Sterben, in einem Krankenhaus in Zweibrücken, und die beiden (recht unterschiedlichen) Frauen sowie das Kind, das Maja mit Micha hat, warten in einer Ferienwohnung auf das Ende des Mannes. Sie sprechen nicht viel miteinander, aber sie erleben das Sterben als einschneidenden Bruch und Abbruch in ihrer eigenen Existenz.

Das Besondere dieses berührenden Buches ist seine Sprache. Die Sätze sind kurz und knapp, oft elliptisch, nur manchmal werden sie länger, ausgreifender, hypotaktisch. Die Verfasserin schafft mit diesen Sätzen eine Welt, in der die Dinge scheinbar unverbunden nebeneinander stehen, aber doch aufeinander bezogen sind. Die Menschen sprechen wenig miteinander, wir Leser spüren mehr, als dass wir es gesagt bekommen, was sie und wie sie denken und fühlen. Das wirkt karg und auch auf den ersten Blick etwas glanzlos, doch es entsteht eine unnennbare Spannung, die uns einfängt und mitnimmt – und einnimmt für diese Frau mit dem Namen Alice, die am Sterben der Männer leidet.

(Blog-Eintrag Nr. 171)

Eine Antwort auf „Alice im Sterbeland“

Wieso eigentlich literarische Hoffnung? Die hat doch schon mindestens drei Bücher veröffentlicht, wovon zumindest eines ein Riesenerfolg war…

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