Kategorien
Politik

Beidrehen oder durchdrehen

Mit diesem Verbpaar beschreibt der Kommentator in der letzten Ausgabe der ZEIT (12.5.10) die Lage der Liberalen nach der Wahl von NRW. Der Wähler habe dort die Botschaft verkündet: so wenig FDP wie möglich. Wie schon so oft in den letzten Jahrzehnten läutet ihr die Journaille das Totenglöcklein. Damit kann man in der Öffentlichkeit trefflich punkten. Wenn man auf eine 10%-Partei einhaut, findet man freundliches Kopfnicken bei den andern 90%. Das ist auch gut fürs Geschäft. Ohne Anzeigen kann die Presse nicht überleben.

Nun ist Häckerling weit davon entfernt, die Politik der christlich-demokratischen Koalition gut zu finden. Unter einer Koalition versteht er ein auf Zeit funktionierendes Bündnis unterschiedlicher Parteien, einen Zusammenschluss zur Umsetzung vertraglich vereinbarter politischer Ziele. Man muss sich nicht mögen, aber man muss tun, was man vereinbart hat. Der FDP nun ständig vorzuwerfen, dass sie genau dies verlangt, kommt mir merkwürdig vor. Und zu sagen, der ganze Koalitionsvertrag tauge nichts, ist nur dann in Ordnung, wenn man das allen Partnern vorwirft. Die Argumentation, die christliche Partei würde erfolgreich regieren, wenn sie nicht diese „Scheißliberalen“ als Klotz am Bein hätte, klingt merkwürdig. Wenn sie die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags schlecht findet, warum hat sie ihn dann unterschrieben?

Nun soll die FDP also „beidrehen“. Das machen Schiffe, die aufgrund widriger äußerer Bedingungen, heftiger Stürme zum Beispiel, eine Ruhepause brauchen. Die Liberalen sollen also stillhalten, den Mund halten oder an sich halten, sich unauffällig verhalten. Wenn sie das nicht schaffen, werden sie „durchdrehen“, also den Verstand verlieren, kopflos werden, spinnen, ausrasten. Die Alternative „beidrehen oder durchdrehen“ ist wie Pest und Cholera oder wie Skylla und Charybdis. Es ist die Botschaft: Ihr allein seid an den Problemen Deutschlands schuld. Macht euch vom Acker.

Der liberalen Partei bleibt in dieser Lage nichts anderes übrig, als eine Strategie des Überlebens zu formulieren. Man sollte mal in Klausur gehen und darüber nachdenken, was möglich und was nötig ist in diesen stürmischen Zeiten. Politiker müssen sich nicht immer selbst verwirklichen, sondern politische Ziele. Sie müssen nicht immer recht haben, sondern das Richtige tun. Sie müssen sich nicht ständig profilieren, sondern die anstehenden Entscheidungen sorgfältig modellieren. Sie müssen nicht unaufhörlich taktieren, sondern regieren, es also „richten“. Das gilt für die FDP, aber auch für die anderen Parteien.

(Blog-Eintrag Nr. 181)