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Politik

Tunnelblick

Mit diesem Ausdruck belegen Augenärzte die Einschränkung des Gesichtsfelds. In Baden-Württemberg ist diese Krankheit derzeit besonders stark verbreitet. Das hängt mit dem Stuttgarter Bahnhof zusammen. Der soll ein weiteres Untergeschoss bekommen, damit ihn die Fernzüge schneller durchfahren können. Über dieses Bauwerk wird – wie inzwischen die ganze Republik weiß – heftig gestritten. Die Befürworter und die Gegner stehen sich „unversöhnlich“ gegenüber. Normale Gespräche über dieses Thema sind kaum noch möglich. Findet mal ein normaleres Gespräch statt, wird dies schon als ein Wunder angesehen. Das ist kein Wunder, denn am Ende des Stuttgarter Tunnels zeigt sich kein Licht.

Im Frühjahr darf der Baden-Württemberger wählen. Er hat dabei die Chance, durch seine Stimmabgabe das Projekt S 21 zu kippen, denn wenn die Grünen mit den Sozialdemokraten an die Macht kommen sollten, werden sie ihr Wahlversprechen einhalten müssen und den Bau des Bahnhofs stoppen. Wobei die SDP noch den Umweg über ein Bürgerbegehren gehen will. Aber das läuft, wie man derzeit zu wissen meint, auf dasselbe hinaus. Dann ist Stuttgart um eine Attraktion reicher: um eine Baustelle, an der sich jahrelang nichts mehr tun wird, bis endlich der Rückbau beginnen kann. Ob das dann im Sinne der vielen Wähler von Rot-Grün sein wird?

Auch der bestehenden Koalition, der christlich-liberalen, ginge es im Falle eines Sieges übel: Sie müsste weiterbauen und hätte ständig mit dem Unwillen der bürgerlichen Demonstranten zu kämpfen. Denn der Unfriede, der das Land erfasst hat, ist nicht mehr zu beseitigen. Er wird mit jedem baulichen Fehler neue Nahrung bekommen.

Gesucht wird ein Politiker, der die Unversöhnlichen versöhnt. Den gibt es aber nicht. Also blicken wir weiter in den dunklen Tunnel. Bis uns vielleicht ein Licht aufgeht.

(Blog-Eintrag Nr. 215)