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Der alternde Mann und der frühere Tod

In den Medien lese ich zur Zeit viel über das schlimme Los der Männer, den wehrlosen Opfern eines meinungsstarken Feminismus. Heute ergreift in „Sonntag Aktuell“ ein Wolfgang Bok das Wort und klagt das Leid des alten Mannes: seine Nutzlosigkeit im Haushalt, die alltägliche Langeweile, der Dauerbesuch von Wellnesstempeln, das ständige Reisen, der Verlust der Anerkennung und sein früherer Tod – fünf Jahre vor den Frauen.

Es ist ein betrübliches Bild, das hier gezeichnet wird: Bok hat den Eindruck, „man könne dem Zerfall des alternden Mannes buchstäblich zusehen. Wie er sich wertlos ins Grab schleppt.“ Was soll einer, der dieser Personengruppe ebenfalls angehört, dazu sagen? Ihm widersprechen oder ihm achselzuckend recht geben? Letzteres.

Das Problem des alternden Mannes beginnt in seiner Jugend. Sein statistisch früherer Tod ist die Folge seines lebenslangen Verhaltens. Ein Mann kann halt nicht sein wie eine Frau. Das muss er mannhaft tragen und ertragen. Oder ist das schon wieder ein Verstoß gegen die politisch korrekte Sprache?

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SWR2 und seine Sprecher

Der SWR (Südwestrundfunk) hat ein Kulturprogramm; es trägt die Nummer 2. Dass er überhaupt eines hat, ist lobenswert. Gelegentlich überkommt unsereinen das Bedürfnis, es zu hören. Schließlich will man sein kulturelles Interesse unter Beweis stellen. Es gibt auf SWR2 Hörspiele, sogar Krimis, es gibt fast ständig klassische Musik, gespielt unter anderem von den beiden inzwischen zu teuer gewordenen SWR-Orchestern, und es gibt anspruchsvolle Kinder- und Jugendsendungen, die hoffentlich auch von Kindern und Jugendlichen gehört werden.

Kurz vor acht gibt es das „Wort zum Tag“, über das man sich manchmal freuen, manchmal ärgern kann. Daran an schließen sich, wie immer zur vollen Stunde, die Nachrichten. Die sind ein ständiges Ärgernis; denn sie werden von Menschen gesprochen, die nicht sprechen können. Man hat den Eindruck, dass sie gar nicht wissen, was sie da lesen. Sie betonen die falschen Wörter oder die Wörter falsch, sie machen Pausen, wo keine sind, oder keine Pausen, wo der Satz welche verlangt. Sie heben die Stimme, wo sie zu senken wäre, und senken sie genau dann, wenn sie gehoben werden müsste, um Wichtiges hervorzuheben. Eine Katastrophe, diese Sprecher. Sie sind weit unter dem Niveau eines Kulturprogramms.

Es mag ja sein, dass zwei klassische Rundfunkorchester die Finanzen des SWR überfordern. Aber dass die Mittel nicht einmal mehr für die Schulung der Nachrichtensprecher ausreichen, lässt einen verzweifeln.

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Grass und die Israelis

Er mag sie eigentlich nicht, er hat sie noch nie so richtig gemocht und er muss sie auch nicht lieben, er, Günter Grass, die Israelis im Nahen Osten. Wir müssen ihn auch nicht immer lieben, den Nobelpreisträger für Literatur. Er hat uns lange verschwiegen, dass er als junger Mensch bei der SS war. Schweigen war hier Silber. Nun hat er ein Gedicht geschrieben, das eigentlich ein in Verse gegliederter Leitartikel ist. Darin geht es auch ums Schweigen, ums Verschweigen. Das Werk beginnt so:

„Warum schweige ich, verschweige zu lange, / was offensichtlich ist und in Planspielen / geübt wurde, an deren Ende als Überlebende / wir allenfalls Fußnoten sind.“

Grass hat, das sei vorab gesagt, fast nie geschwiegen, sondern sich unaufhörlich redend eingemischt. Nun will er das Schweigen über etwas brechen, was seit Monaten laut hörbar diskutiert wird: den israelischen Plan (Grass: „Planspiele“) eines militärischen Schlags gegen den mutmaßlichen iranischen Atombombenbau. Diesen Plan muss man nicht gutheißen, aber man sollte wenigstens den Hintergrund einbeziehen. Es ist die iranische Führung, die den Staat Israel unaufhörlich in seiner Existenz bedroht, zumindest verbal. Aber mit Worten fängt es immer an.

Was Grass auch nicht länger verschweigen mag: dass Israel Atomwaffen besitze. Wer verschweigt das eigentlich? Alle wissen es. Googeln, Herr Grass; hilft auch hier weiter: Israel ist eine Atommacht.

Die erste Strophe des Gedichts ist von der dem Autor eigenen Unklarheit. Zeichnen wir den Gedanken nach: „Ich“, das grammatische Subjekt, verschweigt etwas (Objekt): nämlich das, „was offensichtlich ist“. Von dem erfahren wir, dass es „in Planspielen geübt wurde“. Er meint wohl die militärische Aktion gegen den Iran. Nun sagt er aber nicht: „an dessen – des Militäreinsatzes – Ende“, sondern „an deren – der Planspiele – Ende“, was eigentlich harmlos klingt. Er schließt an, dass „wir“ (also Grass und andere), wenn das Spiel zu Ende ist, zwar überleben, aber leider „allenfalls (als) Fußnoten“. Ist das die Pointe? Dass Grass sich mit dem Los einer Fußnote in der Geschichte nicht zufrieden geben will?