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Grass und die Griechen

Er dichtet weiter. Nachdem er uns vor Kurzem wegen der Israelis die Leviten gelesen hat, streitet Grass jetzt wegen der Griechenlandpolitik mit uns. Der neue Text ist noch unverständlicher geraten als der alte; er sei daher für den normalen Leser ins prosaische Deutsch übersetzt – ohne Gewähr. Das Original findet man hier:

http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-von-guenter-grass-zur-griechenland-krise-europas-schande-1.1366941

Griechenland ist die Wiege Europas, aber Europa hat sich davon entfernt. Europa ist in einem schrecklichen Zustand. Warum? Weil es sich nicht so verhält, wie die Märkte es wünschen. Einst haben wir (wie Goethes Iphigenie) das Land der Griechen mit der Seele gesucht, jetzt messen wir diesem Land keinen Wert mehr bei. Es ist pleite, völlig verarmt. Sein Reichtum lagert als Beutekunst in unseren Museen. Wir haben ihn den Griechen gestohlen. Dieser Vorwurf trifft vor allem uns Deutsche, denn wir haben Griechenland im Zweiten Weltkrieg zerstört und dabei (zynisch wie wir sind) Hölderlins, des Griechenfreundes, Gedichte mit uns getragen. Später (in den sechziger Jahren) waren wir mit der griechischen Militärdiktatur verbündet. Jetzt rauben wir Griechenland wieder aus und meinen sogar, dabei im Recht zu sein. Ganz Griechenland trägt nun Trauer; es klagt uns an, vor allem uns Deutsche, die wir doch so gerne dort Urlaub gemacht haben. Die Kassen der reichen Europäer, also insbesondere der Deutschen, werden immer voller. Nun sollen die Griechen (wie einst Sokrates) auf Geheiß der europäischen Politiker den Giftbecher trinken. Doch sie wollen nicht, sie geben Europa den Becher zurück. Wir zerstören den Ort der Götter; die aber werden uns dafür verfluchen. So wird Europa die gerechte Strafe treffen: geistiger Zerfall; denn ohne Griechenland sind wir kulturlos.

Mit anderen Worten: Weil wir den Griechen unsere Kultur verdanken und sie schnöde beraubt haben, müssen wir ihnen heute in ihrer Not helfen und ihnen alles Gestohlene zurückgeben.

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Die Niederlande und die Eisenbahn

Man mag es kaum glauben, dass es in einem Land mit Millionen von Rad- und Autofahrern auch noch ein Eisenbahnnetz gibt, das dichteste in Europa sogar, wie behauptet wird. Die Schienen verlaufen oft parallel zu den Autobahnen. Es gibt Schnellzüge und Regionalzüge in verschiedenen Farben. Wie sie besetzt sind, ließ sich aus dem Reisebus heraus nicht feststellen.

Eine Recherche ergab, dass Letztere, die Kurzstreckenzüge, über keine Toiletten verfügen. Das korrigiert man nun durch die Ausgabe von Pinkelbeuteln. Aber hierzulande, fällt mir ein, ist das auch nicht anders; weder die S-Bahn noch die Tram hat ein Klo. An Pinkelbeutel hat man noch nicht gedacht.

Dem Stuttgarter, der sich ständig mit dem angefochtenen Bahnprojekt S 21 beschäftigen darf, fiel eine Information besonders auf: Die Niederländer sind dabei, viele ihrer Bahnhöfe unter die Erde zu verlegen. Den in Delft zum Beispiel. Das ist gar nicht so einfach bei einem Untergrund, der angeschwemmt und aufgehäuft wurde – der See abgerungen, wie man das gerne ausdrückt. Ein normales Wohnhaus musste einst mit zig Baumständen und muss heutzutage mit diversen Betonpfeilern gegründet werden. Da ist das unterirdische Bauen ein ziemliches Risiko. Aber die Niederländer tun es trotzdem. Und warum? Weil man so oberirdisch mehr Baufläche gewinnt. Wie bekannt das klingt.

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Das Kultusministerium und die Grammatik

„Nach dem Wegfall der Verbindlichkeit bei der Grundschulempfehlung bewegt sich die Entwicklung weitgehend im erwarteten Rahmen. Wir werden die Ressourcen entsprechend des Bedarfs einsetzen“, sagte Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer. Eine gute Unterrichtsversorgung werde gewährleistet.

Die Ministerin hat gesprochen oder sie hat ihr Haus sprechen lassen. Den ersten Satz dieser dem Kultusportal zu entnehmenden Verlautbarung darf man als politisch clever bezeichnen: Eine Entwicklung – die Anmeldung für die Klassen 5 der Gymnasien, Realschulen und Werkrealschulen – hat sich weitgehend (aber nicht ganz, darf ich bemerken) „im erwarteten Rahmen“ bewegt. Damit steht das Ministerium als weitblickend da: Wir haben („weitgehend“) vorausgesehen, wie es gekommen ist.

Der dritte Satz hat etwas Juristisches: Mit dem Partizip „gewährleistet wäre ich eher vorsichtig. Wie wäre es mit dem Verb „angestrebt“?

Der zweite Satz handelt nach dem Grundsatz, dass der Genitiv den Dativ erschlägt. Seit wann regiert die Präposition „entsprechend“ den Genitiv? Offenbar darf, wer regiert, auch über die Grammatik bestimmen. Der Verfasser dieser Zeilen empfiehlt dem Ministerium die Anschaffung des neunten Bandes der Duden-Reihe oder eines vergleichbaren Werks. Oder sollte man eher einen zusätzlichen Korrekturleser einstellen?