Kategorien
Politik

Die Protestanten und die Arbeit

Dem Thema Arbeit hat die evangelische Kirche im Dekanat Böblingen den diesjährigen Reformationstag gewidmet. Beim traditionellen Festabend am 31. Oktober 2012 ließen sie Prof. Dr. Segbers aus Marburg über den Paulus-Satz „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ reden. Dass der Satz heute nicht mehr passt, war schnell geklärt: Arbeit war in der Antike etwas anderes als heute, wo man darunter im Wesentlichen Erwerbsarbeit versteht.

Der Kern des Vortrags bestand in der Geißelung der prekären Arbeitsverhältnisse, der Leiharbeit und der in Teilzeit. An ihrem massenhaften Aufkommen ist, so Segbers, die Politik schuld. Sie habe es zu verantworten, dass viele Menschen von ihrer Arbeit kaum oder nicht in Würde leben können und auf eine nur geringe Rente hoffen dürfen. Schon jetzt müsse der Steuerzahler diese Arbeitsverhältnisse mit Milliardenbeträgen subventionieren. So weit, so schlimm.

Das Problem dieser protestantischen Feierstunde in der Sindelfinger Martinskirche besteht in der Doppelmoral derer, die einen sozialen Missstand geißeln. Haben wir nicht lesen müssen, dass sich auch die beiden großen Kirchen in Deutschland nicht scheuen, ihre Mitarbeiter auszubeuten, ihnen einen guten Lohn vorenthalten oder die soziale Sicherheit verwehren. Ausbeutung und Selbstausbeutung sind auch in der Kirche der Protestanten und auch in Sindelfingen nicht selten. Dass man trotzdem so ungeniert mit dem Finger auf die bösen Anderen zeigt, stimmt nachdenklich.