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Politik

Die Presse und der Wahlboykott

Offenbar fällt ihnen nichts Besseres mehr ein: Unsere Journalistenzunft spielt mit dem Thema „Wahlboykott“. Das wäre doch mal was Neues, so der Tenor in den Gazetten, in der ZEIT und heute (am 13.8. – ausgerechnet am Tag des Mauerbaus) auch in der Stuttgarter Zeitung. Man hält das wohl für ein Zeichen der ganz besonderen Art, wenn man einfach nicht zur Wahl geht. Das ist es aber nicht; diese Idee hatten bei den letzten Wahlen schon mehr als genug. Die Beteiligung daran lag zum Teil unter 50%. Nichtwählende Journalisten fänden sich also in guter (oder besser: schlechter) Gesellschaft.

Mir bereitet dieses Gerede vom Nichtwählen heftiges Bauchgrimmen. Als einer, der keine einzige Wahl im letzten halben Jahrhundert versäumt hat, erlaube ich mir zu sagen, dass ich dieses Geschreibsel vom Boykottieren der Wahl für verantwortungslos halte. Und es ist zynisch, wenn gerade jene, die täglich ihren Beitrag dazu leisten, das politische Geschäft abscheulich zu finden, die jede Woche ein anderes Skandalthema auspressen, die sich alle Tage vom hohen Ross herab als die Besseren, Klügeren, Wichtigeren gerieren, wenn ausgerechnet diese Gruppe der sich unantastbar Fühlenden vom Wahlboykott faselt.

Nicht nur, dass sie dadurch die extremen Parteien stärken, nicht nur, dass sie die Tendenz befeuern, dass die Politiker in ihrer Angst vor dem Wähler diesem noch mehr nach dem Munde reden, sie graben sich auch selbst das Wasser ab, weil sie mit dieser Haltung ihr eigenes informatorisches Versagen zugeben.

Man begründet den Wahlboykott gern damit, dass die Politik die großen Themen verdränge und sich um unbequeme Antworten drücke. Wenn das so ist, dann insistiert doch auf euren Fragen! Und wenn ihr mal eine Antwort bekommt, die in euren klugen Augen nicht zureicht, dann bohrt halt nach! Zeitungen, die mir raten, nicht zu wählen, wähle ich ab.