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Ranzenprobleme

In einem Brief artikuliert der Rektor der Schillerschule in Stuttgart-Bad Cannstatt seinen Ärger über einen Teil der Eltern. In dem Rundschreiben steht sinngemäß – und daher hier in indirekter Rede:

Die Probleme reichten von Ranzentragdiensten bis ins Klassenzimmer über gefährliche Parkmanöver bis zum Austragen von Familienstreitigkeiten im Schulhaus und Belästigungen der Lehrer durch Gespräche zu Zeiten, an denen die Pädagogen eigentlich unterrichten müssten.

Die Diskussion über zu schwere Schultaschen ist nicht neu. Ich kann mich noch gut erinnern an Eltern, die des Sprösslings „Schulranzen“, wie er hier heißt, gerne mal gewogen und für zu schwer befunden haben. Die Lösung bestand damals in klaren Anweisungen, welche Bücher an welchem Tag mitzubringen bzw. zu Hause zu lassen seien. Der Hinweis auf den Stundenplan half manchen auch weiter. Aber die neuen Eltern haben ein neue, ziemlich originelle Lösung gefunden: Sie tragen ihrem Kind die Tasche. Sie nehmen ihm die Bürde ab, das Schulmaterial selbst zu transportieren. Sie schonen so den kindlichen Rücken. Dass man den auch trainieren könnte, kommt ihnen nicht in den Sinn.

Interessant ist im Schreiben der Schillerschule der Hinweis auf die Ranzentragdienste bis ins Klassenzimmer. Die letzten 50 Meter mussten bisher auch die geschontesten Kinder selbst zurücklegen. Nun befördern fürsorgliche Eltern die Tasche bis an den Platz des Kindes. Wahrscheinlich packen sie sie auch aus und legen die benötigten Utensilien wohlgeordnet auf den Arbeitstisch. Dabei können sie gleich einen kontrollierenden Blick in den Klassenraum werfen, mit anderen Eltern ihren Unmut über irgendwelche Zustände teilen und der Lehrkraft im Vorbeigehen geschwind noch die Meinung sagen.

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Realschullifting

Unabhängig vom jeweiligen Leistungsniveau lernen die Schülerinnen und Schüler weiter gemeinsam. Die Realschulen können aber in der siebten und achten Klasse zeitweise Unterricht auf unterschiedlichem Niveau in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik anbieten.

So steht es im Newsletter der Landesregierung BW vom 20. November 2014. Es ist Teil des neuen Konzepts von Grün-Rot für die die Realschulen. Auch dort gibt es, wie der Minister Stoch in einem Interview festgestellt hat, unterschiedlich begabte Kinder, also „Heterogenität“. Der ab 2016/17 gebotene Umgang mit dieser Vielfalt ist ein doppelter: zum einen gemeinsamer Unterricht – wie bisher – und zum andern differenziertes Unterrichten „auf unterschiedlichem Niveau“ in den Kernfächern, allerdings nur in den Klassen sieben und acht. In gewisser Weise ist das, finde ich, eine kleine Revolution in der grünroten Bildungsphilosophie, denn in den Gemeinschaftsschulen, dem Lieblingskind dieser Regierung, ist das gegenteilige Konzept vorgeschrieben: Unterricht in möglichst heterogenen Lerngruppen. In der GMS soll die geballte Vielfalt der Begabungen die Kinder beim Lernen voranbringen. Sie fördern sich gegenseitig, so die Vorstellung, weil sie so verschieden sind. In den Realschulen darf man der Verschiedenheit künftig anders begegnen. Kinder, die etwa gleich leistungsfähig sind, kommen in eine Gruppe. Sie fördern sich gegenseitig, weil sie sich in ihrer Begabung so ähnlich sind.

Gespannt darf man sein, bis in der baden-württembergischen Kultusbürokratie der Gedanke reift, dass es auch in den Gymnasien an Heterogenität nicht mangelt. Im Gegenteil. Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung hat die Begabungsbreite der Kinder dort deutlich vergrößert.