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Rechtschreibgemotze

Jetzt trauen sie sich wieder aus ihren Löchern, die ewigen Stänkerer gegen die Rechtschreibreform. SWR2, das Radioprogramm, das sich als Kultursender inszeniert, brachte am 13. Juli einen tendenziösen, von Sachkenntnis ziemlich freien Bericht aus Anlass des zehnjährigen Rechtschreibjubiläums. Da wurden die sattsam bekannten Arien gesungen: Wie schön es doch gewesen sei, als man noch „nach alter Weise“ schreiben durfte, wie schädlich sich die Reform „auf die deutsche Sprache“ ausgewirkt habe, wie leicht es früher für die Schüler war und wie schwierig und konfus es heute sei – derlei Unsinn muss man sich in diesen Tagen anhören. Wenn es nach diesen selbsternannten orthographischen Päpsten ginge, sollte man wohl alle Änderungen der letzten Jahrzehnte rückgängig machen, auch jene, die einst unseren Großeltern zu schaffen machten: Sofa statt Sopha, Keks statt Cakes, Büro statt Bureau usw. – lauter schlimme Neuerungen im 20. Jahrhundert. Die Liebe zum ß, dem „Dreierles-S“, feiert fröhliche Urständ. Das Volk wolle wieder „Fluß“ schreiben statt „Fluss“ und „Kuß“ statt „Kuss“. Dass es ein Fortschritt war, den deutlich hörbaren Unterschied zwischen „Fuß“ (lang gesprochenes u) und „Nuss“ (kurz gesprochenes u) in der Schreibung sichtbar zu machen, ein Fortschritt, der auch den Schülern das Leben erleichtert hat, will man nicht hören. Und dann der sinnlose Hinweis auf „daß“ und „das“. „Das“ war einst eine der häufigsten Fehlerquellen in der Schule und ist es wohl immer noch. Aber „das“ hängt nicht mit der Aussprache zusammen, darin unterscheiden sich beide Wörter nicht, obwohl „das“ manche Deutschlehrer nicht einsehen wollen. Es hat mit der syntaktischen Funktion dieser Wörter zu tun. Die Schreibung mit ss oder ß ist hier ein Randproblem. Es stimmt, „dass“ die Rechtschreibleistungen der Schüler (der Gesellschaft, behaupte ich) schlechter geworden sind. Aber „das“ liegt nicht an der Reform der Orthografie, sondern an den mangelhaften Kenntnissen der Schüler, die kaum mehr das korrekte Schreiben lernen, und damit an den Deutschlehrern, die sie ohne fundierte Ausbildung ins Leben schicken. Ich fordere: Tut endlich was, „dass“ wenigstens die Deutsch Unterrichtenden die Rechtschreibregeln kennen! Dann können sie sie auch vermitteln.