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Frontaler Unterricht

Die baden-württembergischen Christdemokraten erwägen, den Frontalunterricht als Lehrmethode per Dekret festzuschreiben. Wie verzweifelt müssen diese Schulpolitiker sein, dass sie auf solche Ideen kommen. Sie glauben, dass dem „selbstorganisierten Lernen“, das sie offenbar für die hiesige Bildungsmisere verantwortlich machen, etwas entgegengesetzt werden müsse. Allerdings übersehen sie in ihrem Furor gegen Methoden, die auf die Eigenverantwortung der Schüler setzen, zweierlei: Erstens hebeln sie damit den Paragrafen 38 des Schulgesetzes aus, der den Lehrkräften die „unmittelbare Verantwortung“ für das Unterrichtsgeschehen zuweist, und dazu gehört nun mal die Entscheidung über dessen methodische Gestaltung. Zweitens soll hier etwas beschlossen werden, was es eh reichlich gibt. Der Frontalunterricht ist – man kann das behaupten, auch wenn es keine aktuellen Zahlen gibt – eher der Normal- als der Ausnahmezustand in den Klassenzimmern. Er wird von vielen kritisiert und nun von der CDU herbeigewünscht. Dabei verhält es sich mit dem Frontalunterricht wie mit allen Unterrichtsformen, mögen sie Gruppen- oder Projektarbeit, Stillphase oder eigenständiges Recherchieren heißen – es kommt darauf an, wie man sie gestaltet: Ein Unterricht, bei dem die Lehrkraft vorne agiert, kann erfolgreich sein oder misslich. Er kann die Schüler interessieren oder einschläfern. Er kann in langweilige Lehrermonologe ausarten oder zu kontroversen Diskussionen führen. Gute Ratschläge für einen erfolgreichen Frontalunterricht gibt es reichlich. Auch in den Seminaren wird dazu einiges vermittelt. Liebe CDU: „si tacuisses …“. Aber die Rettung des Lateinunterrichts wäre ein anderes Thema.

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Vergessene Schulversuche

Der Ministerin ist es plötzlich wieder eingefallen: Wir haben ja einige Schulversuche am Laufen. Wurde nicht bei ihrer Einführung versprochen, sie wissenschaftlich zu begleiten und nach einer schicklichen Zeit auszuwerten? Oder zu evaluieren, wie man gerne und anspruchsvoller formuliert? Irgendwie scheinen manche Versuche in Vergessenheit geraten zu sein. Aber jetzt will man sich wieder an sie erinnern. Gut so. In den 1980er Jahre wurde jahrelang übersehen, dass man das Grundschul-Englisch als Schulversuch eingeführt hatte. Evaluiert wurde der nie. Aber plötzlich war Englisch für alle von Klasse 1 an verbindlich. Derzeit läuft der Schulversuch „Schule ohne Noten“. Die daran Beteiligten sollen prüfen, ob es besser ist, die Leistungen der Kinder mit Worten oder mit Zahlen zu bewerten. Häckerling meint, es bedürfe keines langen Nachdenkens, um das Ergebnis dieses Schulversuchs in Worte zu fassen. Beurteilende Texte können differenziertere Aussagen machen, können Entwicklungen des Kindes präziser beschreiben, Leistungen und Leistungsdefizite klarer benennen, als es eine Note je kann. Leider haben Sätze eine unangenehme Eigenschaft: Sie können unklar oder missverständlich sein. Sie haften einem Menschen enger an als eine Zahl. Wenn Mathilde sich meistens gut auf die Bedürfnisse ihrer Mitschüler einstellen kann, dann fragt man sich, was sie manchmal daran hindert. Kann sie, aber will sie nicht? Wenn Ottokar beim Schreiben der gelernten Wörter stets bestrebt ist, die Regeln zu beachten, dann ist nicht ganz klar, ob er in der Rechtschreibung gut ist oder deutliche Defizite hat. Wie geht es ihm bei neuen Wörtern? Noten, also Zahlen, haben den Vorteil, dass sie Vergleiche erleichtern. Eine Vier ist schlechter als ein Drei. Wer „gut“ hat, könnte sich bei einiger Anstrengung auch Richtung „sehr gut“ bewegen. Kurzum: Noten und Texte haben Vor- und Nachteile. Ergo: Am besten wäre beides. Man darf gespannt sein, was die Auswertung dieses Schulversuchs an zusätzlichen Erkenntnissen bringt.

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Digitales Schlusslicht

Das Schöne an Jahreswechseln ist, dass sich durch sie nichts verändert, sondern alles beim Alten bleibt. Die Probleme von 2017 sind auch die von 2018. Vor allem in den Schulen. Die heutige Zeitung macht das einmal mehr deutlich. Sie berichtet von einem Tübinger Institut, das an der Frage arbeitet: Wie gehen die Schulen mit der Digitalisierung um? Dabei begleiten sie ein paar „Pilotschulen“ – ja, die gibt es inzwischen im Lande Baden-Württemberg – auf ihrem Weg zu einem guten elektronisch gestützten Unterricht. Denn, so einer der Sätze in diesem Bericht: Es gibt auch schlechten. Nebenbei fällt der Hinweis auf eine Studie über den schulischen Digitalisierungsgrad Deutschlands. Es liegt bei der ICILS-Studie auf dem letzten Platz unter 18 vergleichbaren Industriestaaten. Wen wundert’s? Der Computer ist wahrlich keine neue Errungenschaft, aber man hat ihn hierzulande in guter Humboldt’scher Tradition als Teufelswerk, als Gefahr für die Kinder, als sinnlose Vergeudung von Ressourcen gebrandmarkt und sich so von der Entwicklung abgekoppelt. Die Kultusministerien haben sich vornehm ferngehalten von diesem technischen Kram. Man erinnerte sich gern an das Sprachlabor, das auch mal eine technische Neuerung war und den Schulen nichts gebracht hat. So würde es mit dem Computer auch werden, dachte man. Also gab es kaum Versuche, diese Entwicklung offensiv zu begleiten. Es gab lange keine Versuchsschulen, von Thinktanks ganz zu schweigen. Wenn etwas geschah, dann nur auf die Initiative Einzelner hin und in der Regel mit privaten Mitteln. Und jetzt hat man den digitalen Salat. Man liegt (hoffnungslos?) im Hintertreffen, ziert den Abstiegsplatz im weltweiten Ranking. Ob da ein kleines Tübinger Institut die Wende bringen kann?