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Verlorene Mundart

Andere Völker kämpfen um den Erhalt ihrer Sprache. Wir erinnern uns an den belgischen Sprachenstreit, den Kampf der Katalanen um die Zulassung ihrer Sprache als Amtssprache, den aktuellen Streit in Israel um die Rolle des Arabischen gegenüber dem Hebräischen. Die Schwaben, die jahrelang mit dem unsinnigen Slogan geworben haben, sie könnten alles außer Schwäbisch, haben ihre Sprache längst aufgegeben. Sie können nicht einmal mehr Schwäbisch. Das haben sie in Nischen gedrängt, wo es still vermodert. Mundartdichter treten nur noch unter ihresgleichen auf, in den Stuttgarter Nachrichten werden täglich dümmliche Sprüche aus dem Mund geistig begrenzter Pseudoschwaben abgedruckt. Man mag es nicht mehr lesen. In den Schulen ist das Schwäbische schon seit Jahrzehnten verboten, in den Kitas kann das Personal oft kaum Hochdeutsch, geschweige denn Schwäbisch. Die Folge, kein Enkel von Häckerling kann die hiesige Mundart. Sie reden, wie ihnen der Schnabel offenbar gewachsen ist: ein Durchschnittshochdeutsch ohne Dialekteinschlag. Man kann das als Zeichen von Weltoffenheit deuten, kann sich freuen über die Internationalität des Landes oder aufatmen, weil der regionale Ballast über Bord geworfen wurde. Pädagogen finden es toll, wenn Kinder zweisprachig aufwachsen, wenn sie Türkisch und Deutsch, Englisch und Deutsch parlieren können. Wer locker zwischen Schwäbisch und Hochdeutsch wechseln kann, wird nicht gerühmt, sondern allenfalls bedauert. Unser Minischterpräsident, der Herr K., dem der Wechsel zum Hochdeutschen nur mit Mühe gelingt, will nun das Schwäbische retten. Da kommt er allerdings zu spät. Der Zug ist bereits abgefahren. Des hemmer vergeigt.

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Geleugnete Wirklichkeit

Die Sprache kennt das Phänomen schon lange: Man spricht vom Ausblenden der Realität, vom Wegsehen, man verschließt die Augen vor der Wirklichkeit, und die berühmte Zeile aus dem Morgenstern-Gedicht, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, ist auch schon länger in Gebrauch. Insofern ist es keine neue Entwicklung, dass Reales (wie etwa der Klimawandel) selbst von Staatoberhäuptern als nicht real dekretiert werden. Neu ist auch nicht, dass etwas als vorhanden erklärt wird, was andere für inexistent halten. Die klassische Geschichte dazu: Hans Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Wenn befohlen wird, dass etwas zu sein hat, dann ist es das für viele auch. Der große Erdenwahn schafft dieses Kunststück laufend. Jetzt verkauft er seinen Bürgern den Verfall der türkischen Währung als Folge einer internationalen Verschwörung. Man glaubt, was man glauben will oder glauben muss. Warum? Weil man nur sieht, was man zu wissen glaubt? Weil man zum Sehen manipuliert wird? Weil man sich einsam vorkommt, wenn man nicht im Strom neben den anderen schwimmt? Weil es sich so angenehm anfühlt, im Einklang mit einem starken Mann zu sein? Im Mittelalter (und angeblich geschieht das auch heutzutage) brachte man Menschen durch Folter dazu, nicht begangene Taten zu gestehen. Heute braucht nur ein irrer Politiker etwas Irres zu behaupten und schon folgen sie ihm, dem befehlenden Führer. Don Quixote von der Mancha, der an die literarische Fiktion der längst dahingegangenen Ritterwelt glaubte, würde heute als Verkünder der Wahrheit gefeiert.

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Einheitliche Unterrichtende

Es gehört zu den Besonderheiten der deutschen Bildungsdiskussion, dass man immer die gleichen Themen diskutiert. Jetzt hat man den Ladenhüter „Einheitslehrer“ wieder aus der Schublade gezogen. Die einen schlagen ihn vor, die anderen lehnen ihn vehement ab. Beide haben Recht und Unrecht. Natürlich gibt es viele Gemeinsamkeiten beim Unterricht in der Sekundarstufe 1, den Klassen 5 bis 10. Die Verhaltensweisen von Pubertierenden ähneln sich, ob sie nun eine Gemeinschafts- oder Realschule oder ein Gymnasium besuchen. Daher wäre es auch sinnvoll, die pädagogische Ausbildung für diese Klassenstufen zu vereinheitlichen. Ob es auch organisatorischen möglich ist, steht auf einem anderen Blatt, denn die einen werden an Pädagogischen Hochschulen, die anderen an Universitäten ausgebildet. Aber eine Zusammenarbeit der Seminare bei der didaktischen Vorbereitung auf die Praxis des Schuldiensts ließe sich durchaus machen. Was den Fachunterricht angeht, so bestehen immer noch Unterschiede zwischen den Schularten. Die Ansprüche an die Gymnasiasten sind immer noch etwas höher als an die Realschüler. Und nur wer sein Fach sicher beherrscht, kann einen guten Unterricht bieten. Noch etwas: Nicht alle Lehrenden sind ausschließlich in der Sekundarstufe 1 tätig. Gymnasiallehrer haben auch noch in der Oberstufe zu unterrichten. Da erwarten wir einen fachlich souveränen Unterricht. Den kann nur leisten, wer sich intensiv mit den Inhalten seines Faches beschäftigt hat. Die Grundschule erwartet selbstverständlich, dass dort nur unterrichtent, wer die Besonderheiten der Klassen 1 bis 4 kennt, wer weiß, wie man den Anfangsunterricht, die Einführung ins Lesen und Schreiben, in die Welt der Zahlen, gestalten muss. Daher ist es eine Schnapsidee, Lehrkräfte, die einen guten Unterricht über Goethes „Faust“, die Integralrechnung, die Atomphysik, die Geschichte der Französischen Revolution oder Shakespeares „Hamlet“ schaffen, den Sechsjährigen als Vermittler des Alphabets vorzusetzen. Einheitlichkeit geht nicht immer. Oder geht es nur um die Einheitlichkeit der Bezahlung?