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Trostlose Diskussionen

Gelegentlich tut es Häckerling sich an, Menschen beim Diskutieren zuzusehen. Am letzten Sonntagabend prallten bei Anne Will die Meinungen zur CO2-Steuer aufeinander, eigentlich verknoteten sie sich ineinander; denn meistens sprachen mindestens zwei gleichzeitig. Die Moderatorin brachte selten Ordnung ins Chaos. So erschloss sich dem Zuschauer kaum, um welchen Kaisers Bart es ging. Dabei sind Frage und Antwort einfach: Wie bringt man „die Menschen“ dazu, weniger CO2 zu erzeugen? Indem man sie überzeugt, weniger Auto zu fahren, seltener mit dem Flugzeug zu fliegen oder an Kreuzfahrten teilzunehmen. Es geht darum, effektiver zu heizen und „Dreckschleudern“ mit Filtern auszustatten. Wenn das nicht freiwillig geschieht, bedarf es des Nachdrucks durch Gesetze, Verordnungen, Abgaben. Zuständig für diese Maßnahmen sind die Regierungen und die Parlamente. Scheingefechte über eine Steuer, deren Ertrag man zurückerstatten will, sind unnötig. Wenn man erstatten will, sollte man die Mehrwertsteuer senken oder den Soli abschaffen. Aber jedem ein CO2-Kopfgeld zahlen? Nur um die öffentlichen Verwaltungen zu beschäftigen? Das ist Unsinn. Im Übrigen hat das Prinzip „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ noch nie funktioniert. So zu tun, als seien die Klimaziele zum Nulltarif zu erhalten, ist Unfug. Man sollte damit aufhören, den Bürgern ein X für ein U vorzumachen. Es wird nicht ohne Opfer gehen. Der Verzicht aufs Autofahren führt zu Unbequemlichkeiten: Man ist länger unterwegs, ärgert sich über Mitfahrende, steht auf Bahnsteigen und Haltestellen herum. Der Verzicht auf Flugreisen oder Kreuzfahrten schmälert den Lebensgenuss. Technische Innovationen kosten Geld. Warum sagt keiner, dass uns die Rettung der Welt teuer zu stehen kommt?

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Kirchliche Schuld

Dieser Tage haben Prognosen den Kirchen einen weiteren deutlichen Verlust an Mitgliedern angekündigt. Man müsse sich öffnen und seinen Glauben deutlicher bekennen hieß es daraufhin. Dreihundert evangelische Pfarrer in Württemberg haben das so verstanden: Mit uns wird es keine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geben werde. In der Bibel sei das nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Wer in seiner Sexualität vom heterosexuellen Standard abweiche, sei selbst daran schuld und müsse dafür büßen. In der katholischen Kirche wollen die Frauen einen Monat lang ihren Dienst verweigern und so gegen ihre Benachteiligung und die Männerherrschaft demonstrieren. Dort macht man nicht einmal den Versuch, diese jahrhundertealte Praxis biblisch zu begründen. Wer die Macht hat, gibt sie ungern ab. Gestern haben die beiden Kirchen ihre Schuld bei der Behandlung von Menschen, die sich selbst getötet haben, eingestanden. Die durften einst keinesfalls kirchlich bestattet werden. So sollte ihre Schuld öffentlich werden. Jeder Schüler, der einmal die Geschichte des Selbstmörders „Werther“ lesen musste, kennt diese Haltung. Inzwischen ist man längst davon abgegangen, Suizidale anzuprangern, und will sogar dazu beitragen, sie von ihrem Schritt abzuhalten. Wahrscheinlich arbeitet man auf ein Gesetz hin, das die Selbsttötung erst nach kirchlicher Beratung erlaubt. Eine andere Baustelle hat man noch gar nicht angepackt: die Selbstbefriedigung. Die wird im Alten Testament bekanntlich mit dem Tode bestraft. Onan hat das zu spüren bekommen. Die Öffnung der Kirchen dürfte wohl darin bestehen, sich mehr und mehr zu verschließen.