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Politik

Grüner Rückzug

Es gibt ihn also doch, den Verzicht auf die Macht. Der grüne Stuttgarter Oberbürgermeister will nicht noch einmal antreten. Dafür seien ausschließlich private Gründe maßgeblich. Er könne sich mit 73 etwas anderes vorstellen, als eine Stadt zu regieren. Mit dieser Einschätzung unterscheidet er sich deutlich von seinem Kollegen auf dem Sessel des Ministerpräsidenten. Für den MP-K. ist 73 „kein Alter“, für den OB-K. sehr wohl. Beide reden sie wie die Blinden von der Farbe; denn über ein bestimmtes Alter kundig zu reden setzt voraus, es erreicht zu haben. Zuerst also Lob für Fritz. K. ob seines Verzichts. Aber die privaten Gründe nimmt ihm keiner so recht ab. Es ist doch eher die Einsicht: „Ich schaff das nicht“. Zu groß sind die Versäumnisse seiner Amtszeit: Zu wenig Wohnungen wurden gebaut, zu wenig hat er getan, um die dicke Luft im Stadtkessel zu verbessern, hilflos musste er Fahrverbote verhängen, das Tarifsystem der Straßenbahnen und Busse hat er vereinfacht, aber deutlich billiger wurde das Fahren mit dem VVS nicht. Der neue Bahnhof ist dem Grünen offenbar ein Ärgernis. Gefördert hat er ihn nicht, im Gegenteil. Kein Wunder, dass die S-21-Baustelle nur langsam vorankommt. Die Oper steht seit vielen Jahren zur Sanierung an, aber getan hat sich so gut wie nichts. Zur Aufklärung der Schweinereien bei den Kliniken hat er nichts beigetragen. Mit dem Digitalen scheint er – wie viele andere Verantwortliche – auf Kriegsfuß zu stehen. Einfache Verwaltung ist ihm eine Wahnvorstellung. Der große Wurf für die Region Mittlerer Neckar, er steht seit Jahren aus. Von K. kam dazu nichts. Im Stuttgarter Rathaus wird so schlecht regiert wie im Neckarstadion (wenn die alte, von Werbung freie Bezeichnung erlaubt ist) Fußball gespielt wird. Gibt es jemand, der das ändern kann? Vielleicht beim Fußball.

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Klima Literatur

Klimabekömmliches Frühstück

Der Untertitel zu Jonathan Foers neuem Sachbuch „Wir sind das Klima“ suggeriert Banalität: „Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können“. Gemeint ist, auf die Wurst am Morgen oder den gebratenen Speck zu verzichten. Foer, der seine Leser 2010 mit einer vielbeachteten Kampfschrift gegen das Fleischessen und für eine vegetarische Ernährung aufgeschreckt hat (Titel: „Tiere essen“), verknüpft nun das Thema Nahrungsaufnahme mit dem Klimawandel. Sein Argument: Die größten Produzenten von CO2 seien nach den US-Amerikanern und den Chinesen – die Rinder. Wenn man schon die beiden Staaten nicht zum Umdenken bewegen könne, blieben als letzte Hoffnung jene, die jeden Tag Tiere verspeisen. In düsteren Farben zeichnet der Autor die gewaltige Expansion der Rinderproduktion und die immense Steigerung des Futtermittelanbaus innerhalb weniger Jahrzehnte. Das führte zu einer beträchtlichen Steigerung des Methangasausstoßes und damit der CO2-Emmission. Deren Folgen seien, so Foer, inzwischen unumkehrbar. Auch dann, wenn uns es gelänge, unser Verhalten sofort zu ändern. Danach aber sähe es nicht aus, meint der Autor. Dabei sei es beim Essen noch am einfachsten, seine Gewohnheiten zu ändern. Niemand käme zu Schaden, wenn er seinen Fleischkonsum verringern würde, im Gegenteil, es sei der Gesundheit sogar förderlich. Aber der Autor ist skeptisch. Den Menschen dazu zu bringen, lieb gewordenes Verhalten zu ändern, scheine fast unmöglich. Das sehe er an sich selbst. Immer wieder erliege er der Versuchung, Fleisch zu essen. Selbst angesichts einer drohenden Katastrophe blieben die meisten Menschen unbeeindruckt. „Wir sind das Klima“ ist ein faktenreiches Buch mit klaren Appellen. Leider macht es uns wenig Hoffnung.

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Schule

Strittige Ferienregelung

Die uralte Frage, ob die Ferien der Schule wegen da sind oder die Schule wegen der Ferien, wird derzeit wieder einmal heftig diskutiert. Es geht um zwei Probleme: Soll der Ferienzeitraum im Sommer gleich bleiben, vergrößert werden oder verringert. Für alle Positionen gibt es gute Gründe: Fürs Gleichbleiben spricht, dass Änderungen nur Probleme machen, will man sich umstellen muss, fürs Verringern spricht, dass ein Sommerferienzeitraum von Mitte Juni bis Mitte September dazu führt, dass Deutschland in Dauersommerferien verfällt und es kaum gemeinsame freie Zeiten gibt. Die einen gehen Anfang August schon wieder in die Schule, die anderen packen erst die Koffer für den Sommerurlaub. Fürs Vergrößern der Sommerferienzeit gibt es ein gutes Argument: Man findet eher ein Hotel, vielleicht sogar zu einem günstigeren Preis, und trotzdem macht die Touristikbranche gute Geschäfte. Das Zeitraumproblem wird (zweitens) ergänzt um das Rollierungsproblem. Außer Baden-Württemberg und Bayern müssen alle Bundesländer jedes Jahr mit einem anderen Sommerferientermin fertig werden. Das hat zur Folge, dass ein Schuljahr mal kürzer ist als das vorige und ein anderes Mal länger. Und das hat Folgen für die Prüflinge. Die einen können sich mehr vorbereiten, weil ihre Prüfung eher spät liegt, die anderen müssen in kürzerer Zeit fit sein, weil sie weniger Zeit haben. Dieses Problem haben sich die Südländer vom Hals geschafft mit ihren fixierten Ferien. Nun ist es natürlich keine reine Freude am 10. September Ferien zu haben, weil da der Herbst schon „auf der Leiter“ steht, wie es in einem Gedicht aus den Lesebüchern heißt. Und es ist auch manchmal mörderisch, in der Sommerhitze Mitte Juli noch zu unterrichten. Aber die Süd-Regierungen beharren (für Häckerling unverständlich) stur auf ihrer Verweigerung des Rollierens. In Bayern möchten sie ihre Sommerferien sogar als Kulturerbe registrieren lassen. Vermutung: Es wird sich nach der Ferien-Debatte nichts ändern.