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Neue Normalität

Die einen wollen, dass alles wieder so wird, wie es vor der Seuche war, die anderen erkennen in ihr eine Chance, dass künftig vieles anders wird. Sie meinen damit besser. Soziologen werden in einigen Jahren sagen können, welche Erwartung sich erfüllt hat. Vermutlich wird vieles gleich und manches anders sein. Ein ambivalentes Wortpaar hat sich dazu gemeldet: neue Normalität. In den Schulen kann man sie sich schon vorstellen. In den Rechnern der Rektorate werden zwei Stundenpläne lagern, der normale Plan und der Notfallplan. Neben den Unterrichtsentwürfen für den Präsenzunterricht warten die Materialien für den digitalen Fernunterricht auf ihren Einsatz. Die Notenbildungsverordnung bekommt einen Zusatz, der regelt, wie die Leistungen der zu Hause erbrachten Leistungen in die Gesamtnote eingehen sollen. Das von den Lehrkräften erwartete Verhalten in pandemischen Situationen wird in einer Verwaltungsvorschrift rechtssicher formuliert. Im Keller der Schule stehen Kartons mit gesichtsbedeckenden Masken, der Schulhof ist per Graffiti in Zonen eingeteilt, in den Klassenzimmern oder in den Fluren wird man mehr Schränkchen sehen, für jeden Lernenden eines. In den Umkleideräumen der Sporthallen findet man auch welche. Sie sind nach jedem Gebrauch zu reinigen. Aber von wem? Der Schwamm zum Tafelputzen wird zum Problem werden und möglicherweise verschwinden. Er war schon immer eine Brutstätte für Keime. Vielleicht fallen die Tafeln überhaupt dem Virus zum Opfer und müssen Whiteboards weichen. Lehrkräfte mit vulnerablen Eigenschaften müssen wieder arbeiten, aber sie werden jede Woche getestet. Die Gewerkschaften werden dies als diskriminierend geißeln. Die Betroffenen arbeiten an ihrem vorzeitigen Ruhestand. Das erhöht die Chancen der Lehramtsanwärter. Nach einem Jahr etwa wird die neue Normalität so gut wie vergessen sein, wenn das Virus mutiert ist und keine Lust mehr hat, sich zu vermehren.

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Freiwillige Nachhilfe

Nun hat sich die baden-württembergische Schulministerin doch noch einen Ruck gegeben und an der Unantastbarkeit der Sommerferien gerüttelt. Sowohl den Lernenden als auch den Lehrenden (die Partizipien sind inhaltlich zwar falsch, aber der Gendersprache geschuldet) werden in den letzten beiden Wochen der Ferien „Angebote“ gemacht. Die einen sollen Nachhilfe beim Lernen, die anderen beim Lehren bekommen. Drei Stunden Unterricht am Tag für Schülerinnen und Schüler mit „Lücken“ in Deutsch und Mathematik, aber nur für solche, die freiwillig daran teilnehmen wollen. Der Unterricht wird erteilt von Lehrkräften, die das freiwillig tun wollen und von Referendarinnen und Referendaren, die dafür – welche Gunst – den ganze September und nicht nur einen halben bezahlt würden. Das andere freiwillige Angebot, das an die Lehrerinnen und Lehrer, soll die Ungeschulten unter ihnen im Umgang mit digitalen Geräten weiterbringen. Hoffentlich nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich. Es stellt sich ja schon die Frage: Was kann an die Geräte ausgelagert werden, was nicht? Was nur eine lehrende Person vermitteln kann, soll bei dieser auch bleiben. All das, was ab 1. September stattfinden soll, ist freiwillig, die Fortbildung und der Nachhilfeunterricht. Häckerlings Mutmaßung: Es wird wohl so werden wie beim Förderunterricht. Jene, die ihn nicht nötig haben, kommen, wer ihn jedoch dringend benötigt, glänzt durch Abwesenheit. In Zeiten, da man Mund- und Nasenschutz nicht freiwillig, sondern laut Vorschrift trägt, wäre ein wenig mehr Pflicht statt Neigung in den Schulen zu verantworten. Schließlich ist auch die Schulpflichterfüllung nicht freiwillig.