Kategorien
Gesundheit Politik

Nachträgliche Prophetie

Schon in den Evangelien wird sie praktiziert: die Weissagung post festum, das nachgeholte Voraussagen. Sie finden im Alten Testament zahlreiche Ankündigungen auf den Christus. Nur, der echte Jesus entsprach diesem prophezeiten allenfalls marginal. Menschen wollen es gerne schon vorher gewusst haben. Auch die Finanz- und Wirtschaftskrisen des 21. Jahrhunderts waren hinterher nur eingetroffene Prophetien, wenn man den Neunmalklugen glauben will. Leider nützt uns das wenig, wenn einer später mit dem Satz auftritt: Ich habe es schon immer gewusst. Beim Impfstoff gegen den Virus äußern sich nun auch welche, die gewusst haben wollen, wie man es vor einem halben Jahr hätte besser machen können: Mehr von X bestellen, nichts von Y. Offenbar wussten sie im Juli schon, dass X ein paar Wochen vor Y auf dem Markt sein würde. Ich vermute, die Hersteller von X wussten es damals selbst auch noch nicht. Warum jetzt diese Besserwisserei? Die Antwort liegt nahe: Wir haben 2021 ein großes Wahljahr. Da macht es sich gut, wenn die von der Partei A alles falsch gemacht haben, während wir von den Parteien B, C oder D ohne jeden Fehler agiert hätten. Leider ist das alles sehr durchschaubar. Und leider erhöht es nicht die Akzeptanz der Politik. Die nachträglichen Propheten hätten, so sie denn am Ruder gewesen wären, auch Fehler gemacht oder, genauer gesagt, sie hätten die Zukunft ebenfalls nicht gekannt, höchstens Ahnungen gehabt. Wie wir alle. Bleibt auf dem Teppich, aber fliegt nicht mit ihm davon!

Kategorien
Gesellschaft Gesundheit Politik

Hektisches Ankündigen

Das Schöne an der Demokratie ist, dass jeder zu allem den Mund aufmachen darf. Wenn wir Normalsterblichen uns äußern, hört kaum jemand hin, wenn Politiker reden, hält man ihnen ein Mikrofon vor den unmaskierten Mund. Vor allem vor Entscheidungen muss jeder schon mal was sagen. Morgen, am 5. Januar, will das Entscheidungsgremium, von dem das Grundgesetz nichts weiß, die Gruppe der Ministerpräsident*innen und die Kanzlerin, den Weg in die nächste Pandemiezeit weisen. Was die Herr- und Frauenschaften morgen über uns beschließen, ist schon heute zu lesen. Der Shutdown geht weiter, aber wie lange? Die Geschäfte bleiben zu – bekommen sie wieder die üblichen 11 Milliarden Euro? Schulen und Kitas bleiben wohl auch zu – oder doch nicht? Mit Milliarden lässt sich der Bildungskahlschlag nicht verhindern. Daher gehen just bei diesen Themen die Aussagen der Verantwortlichen unterschiedliche Wege. Zwei Wochen oder drei Wochen? Alle Klassen oder nur ein Teil davon? Häckerling wundert sich, dass man morgen schon die Grundlagen für solides Entscheiden hat. Denn in den letzten Tagen wurden uns Infektionsdaten genannt, die, wie es hieß, „keine Aussage“ zulassen, weil sie von den Feiertagen geprägt sind. An denen wurde nämlich weniger getestet und weniger gemeldet. Hat nicht Trump mal gesagt, man solle weniger testen, dann gebe es weniger Infizierte? Aber diese Unperson darf nicht zitiert werden. An den Weihnachtstagen und über Neujahr haben wir trotzdem seinen Rat beherzigt. Eines ist klar: Die Politik steht über dieser Unwissenheit. Hat sie vielleicht geheime Zahlen, die man uns anderen vorenthält? Oder wird man morgen ehrlich sagen: Wir haben keine Ahnung, wie sich die Pandemie bei uns in den letzten zwei Wochen entwickelt hat, also können wir auch nicht profund entscheiden? Nie und nimmer! Auch wer nichts weiß, muss handeln.