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Klare Kante

Der Kommentator der Stuttgarter Zeitung nimmt Zuflucht zu diesem unklaren Bild („klare Kante zeigen“), um klar zu sagen, dass er dem Staat eine deutliche Reaktion auf die rechts- und dumpfradikalen Umtriebe der letzten Tage empfiehlt. Kanten sollten eigentlich nicht „klar“, sondern „eckig“ sein. Man muss sie nicht „zeigen“, sondern einfach nur haben. Wie soll das beim Staat zugehen? Vielleicht geht es da gar nicht um Kanten, sondern um die Einleitung von Strafverfahren, um rasches Handeln statt zögerlichem Abwarten, um Reagieren statt Aussitzen. Eigentlich ist das selbstverständlich. Wer in einem Rechtsstaat gegen das Recht verstößt, muss mit rechtlichen Folgen rechnen. Leider sind die Strafverfolgungsbehörden – wie so vieles in der Republik – überlastet, so dass es mit dem Reagieren eine Weile dauern wird. Politiker werden die Idee haben, die Gesetze zu verschärfen, aber was soll das nützen, wenn es schon mit den bisherigen Gesetzen wegen besagter Überlastung nicht so recht klappt? Es steht also zu vermuten, dass es mit der klaren Kante nichts wird. Sie wäre ja auch geboten, wenn sich der Gesetzgeber zur gesetzlich vorgeschriebenen Impfpflicht durchringen würde. Doch auch hier gilt: Bevor man jemanden zur Pflichterfüllung anhalten kann, muss man ihn/sie erst einmal haben. Heute ist in der Kreiszeitung zu lesen, dass man im Landkreis BB zwar eine niedrige Impfquote hat, aber vermutet, dass die Statistik nicht stimmt. Wer zählt die Geimpften? Das Sozialministerium BW gewiss nicht, das muss die Fauxpas des Ministers zählen, aber wer soll es dann machen? Eigentlich ist es tröstlich, dass in unserem Staat selbst das Zählen Mühe macht. Denn nun kann keiner mehr behaupten, der Staat sei zu mächtig. Ein bisschen Schlendrian tut uns allen gut – und ein bisschen Nachsicht mit den Überforderten. Warten wir also nicht auf die „klare Kante“, sie wird nicht kommen, es muss fürs Erste genügen, den Rechts- und Dumpfradikalen den Vogel zu zeigen.

Eine Antwort auf „Klare Kante“

Der geringe Durchsetzungserfolg der Behörden, insbesondere bei den Polizeibehörden, hat weniger mit Überlastung (allenfalls im übertragenen Sinne) zu tun als vielmehr mit einem immer geringeren Durchsetzungsvermögen. Und dies wiederum ist diktiert – von den Führungseliten, wie von larmoyant-uneinsichtigen Bevölkerungsteilen gleichermaßen. In Deutschland ist es mittlerweile üblich, daß Ordnungskräfte auf jeder Demonstration, bei jeder Kontrolle, selbst beim Verteilen eines Strafzettels, auf widerlichste Weise beschimpft, körperlich angegriffen und im Internet diskriminiert werden. Die überall in den “sozialen” Medien anzutreffende Abkürzung “ACAB” sei hier nur als ein Beispiel benannt.
Aber auch perfidere Methoden werden von den Verbrechern angewendet, wie z.B. so aus Berlin gemeldet, wo das Mitglied einer der dort grassierenden arabischen Gangs einen Streifenbeamten wie folgt anging: “Was willst denn Du Einsterner von mir?”
Klingt jetzt seltsam, oder? Ist aber ganz einfach: Als Einsterner wird hier ein mit einem (silbernen) Stern auf den Schultern versehener Polizeikommissar betitelt – und jedes beleidigendes Attribut wird vermieden. Aber abwertend, besser gesagt beleidigend, ist es gleichwohl – nur, daß es nicht justiziabel ist. Juristisch geschulte Terroristen und Verbrecher …
Die innere Sicherheit in Deutschland hat in den letzten Dekaden signifikant nachgelassen und wenn den Ordnungs- und Vollzugkräften nicht in Bälde mehr rechtliche Kraft (wieder)verliehen wird, wird sich Deutschland bald in einem inneren Zustand befinden, der sich nicht oder wenig von Ländern niedrigerer wirtschaftlicher und sozialer Güte unterscheidet. Und dann hat es sich mit dieser Güte auch bald erledigt …
Aber vor welchem Problem stehen wir? Wahl zwischen Teufel und Beelzebub, so könnte man es vielleicht am einfachsten bezeichnen.
Denn einerseits möchte niemand die Situationen, wie sie beispielsweise Ende der 60er Jahre entstanden (hier sei die Ermordung des Studenten Ohnesorg durch den Polizisten Kurras als Beispiel erwähnt), andererseits läßt der Wandel in der Gesellschaft (die Jugend von heute … hahaha) ein weiteres Nachgeben der Ordnungsorgane nicht mehr zu.
Und das Ganze in einem Land, in dem man nicht unwesentliche Teile der Bevölkerung zu den larmoyantesten Menschen dieser Erde zählen kann.
Wie Helmut Schmidt 1999 in der SWR 1 -Sendung “Leute” dem Moderator Stefan Siller gegenüber einmal recht zurückhaltend äußerte: “Die Politiker haben es nicht immer leicht.”
Das war damals so, ist heute nicht anderes (gut, sie entwickeln auch zunehmend Talent darin, es sich selber nicht leicht zu machen …), führt aber nicht daran vorbei, daß es zukünftig und schnell (!) noch sehr viel unangenehmere Entscheidungen der Politik geben muß, damit eine scharfe Kante erkennbar sein wird. Und “schnell” schon allein deshalb, weil ansonsten zu befürchten ist, daß in diesem Land wieder politische Kräfte das Sagen erlangen, die kein vernünftig denkender Mensch habe möchte.

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