Was Wahlen so alles bewirken können. Weil die Thüringer, Sachsen und Brandenburger das Kreuzchen bei den Grünen oft verweigert haben, ist der gesamte Vorstand zurückgetreten. Man hat die größte Krise der Partei seit einer Dekade ausgerufen, seit zehn Jahren also. Die in solchen Krisen erfahrenen Liberalen haben derlei noch nicht verlauten lassen. Aber was soll nun geschehen? Sollen die Grünen nicht mehr grün sein, sondern sich bräunliche kleiden? Sollen sie nicht mehr vom Klimawandel und dessen zu bekämpfenden Folgen reden, sondern der Fraktion der Leugner beitreten? Das wäre ihre Selbstaufgabe, der Verlust ihres „Markenkerns“, der Verrat an ihren Zielen. Also kommt das nicht in Frage. Man wirft ihnen vor, sie würden den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben hätten. Sollen sie also künftig nicht mehr über emissionsarme Heizungen, über fleischlose Gerichte, den Verzicht auf Flugreisen und die Benutzung des ÖPNV reden? Wer wird uns dann sagen, was wir tun oder besser nicht tun sollen, um die Welt vor den zunehmenden Katastrophen zu retten? Gewiss nicht die Partei, die keine Alternative ist, auch nicht das Bündnis, das eine ehemalige Linke im Namen trägt. Und die Christdemokraten, die alles besser wissen, werden ihre Wähler auch nicht vergraulen wollen, schon gar nicht der von Bayern, der den Genuss einer Weißwurst für ein Bürgerrecht hält. Die Sozialdemokraten werden vielleicht vorschlagen, jedem Bürger das Deutschlandticket zu schenken und vegane Speisen staatlich zu subventionieren. Den Liberalen wird vorschweben, dass die Industrie eine Technik entwickelt, die alles CO2 vom Himmel absaugt und in Wasserstoff umwandelt. Die Krise der Grünen ist unser aller Krise. Das grüne Wetterleuchten kündigt ein klimatisches Donnerwetter an.
Monat: September 2024
Schwieriges Zuhören
Die Menschen im Osten beklagen, dass man ihnen nicht zuhöre. Sie sollten nicht im Ungewissen darüber gelassen werden, dass dies oft nicht einfach ist. Wenn man ihnen in den Talkshows (gestern: Hart, aber fair) und sonstigen Interviews (nach den Wahlen) lauscht, ergießt sich eine Suada über den Zuhörenden: (1) Man hat nichts für den Osten getan. Antwort: Das stimmt nicht. An Geldzuflüssen hat es dank des Soli wahrlich nicht gemangelt. (2) Die Menschen im Osten bekomme weniger Geld. Antwort: Das stimmt nicht. Die Renten im Osten sind wegen der Anrechnung der Arbeitszeiten im Sozialismus inzwischen höher oft als im Westen. (3) Die Ampel regiert schlecht. Antwort: Das kann man als Meinungsäußerung stehen lassen. Es stimmt in dieser Pauschalität aber nicht, immerhin ist es ihr nach dem Überfall auf die Ukraine gelungen, die Energieversorgung sicherzustellen. (4) Die Waffenlieferungen an die Ukraine müssen aufhören, weil dann auch der Krieg ein Ende hat. Antwort: Das stimmt, aber es impliziert, dass das angegriffene Land dann an Russland fallen würde. Aber vermutlich interessiert das viele im Osten nicht. Denn (5) Wir müssen wieder Energie von Russland beziehen und damit aufhören, Putin zu verteufeln. Antwort: Das ist wohl des Pudels Kern: die Nähe zu Russland und der Hass auf den Westen (USA). Man pflegt in den östlichen Ländern ein Feindbild des Westens, das man einst von der SED eingeimpft bekommen hat. Um dem Vorwurf zu entgehen, das sei ein Pauschalurteil, das nicht auf alle im Osten zutreffe, gebe ich hiermit kund, dass ich mit „den Menschen im Osten“ nur etwa die Hälfte der dort Lebenden meine.
Billige Lehrerstunden
Das Kultusministerium in Baden-Württemberg hat die frohe Botschaft von der guten Unterrichtsversorgung im neuen Schuljahr verkündet. Es fehlen diesmal weniger Lehrkräfte, weil man mehr Lehrpersonen einstellen konnte, auch etliche „Quereinsteiger“. Ganz nebenbei wird mitgeteilt, dass sich auch eine beachtliche Erhöhung der Lehrerstundenzahl durch eine weitere Stunde ergeben hat, die man künftig von den Referendarinnen und Referendaren verlangt. Der Umfang des Deputats in der zweiten Ausbildungsphase zum Lehramt an Gymnasien hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Einst waren es acht Stunden, nun ist es „ein halber Lehrauftrag“, will sagen: 12 bis 13 Stunden. Das ist eine Erhöhung um rund 50 %. Wie steht es mit den Bezügen dieser Lehrkräfte? Sie erhalten rund 1600 €. Geht man von einer Arbeitszeit von 40 Stunden aus (das ist niedrig gerechnet), sind das 10 € pro Stunde. Das liegt deutlich unter dem Mindestlohn (12,80 €). Man könnte von Ausbeutung reden. Natürlich wird eingewandt, die Damen und Herren seien noch in der Ausbildung. Das stimmt, aber ihre Stunden werden vom KM ganz ungeniert als normale Stunden in der Erfolgsbilanz eingerechnet. Wie jeder weiß, tendiert die Begleitung im selbstständigen Unterricht gegen null. Warum wehren sich die Lehramtsanwärter nicht? Weil sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und daher tunlichst den Mund halten.