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Demokratische Defizite

Sie hätten an der OB-Wahl teilnehmen können, die Sechzehnjährigen, aber sie kamen nicht. Warum nicht? Interessiert es sie nicht, wer die Stadt regiert, in der sie wohnen? War das Wetter zu schön oder anderes wichtiger? Offenbar reicht es nicht, den Jugendlichen das Wahlrecht einzuräumen, man muss sich auch Gedanken machen, wie sie dazu gebracht werden, es zu nutzen. Da denkt unsereins als Erstes an das Elternhaus und als Zweites an die Schule. Findet dort eine Erziehung zur Demokratie statt? Vermittelt man den Töchtern und Söhnen, den Schülerinnen und Schülern die Idee, dass es zum Recht und zur Pflicht eines Bürgers gehört, zur Wahl zu gehen? Der Blogschreiber, der einst erst mit 21 Jahren das Wahlrecht bekam, ist einigermaßen stolz darauf, an allen Wahlen, die es im Lauf seines Lebens gegeben hat, teilgenommen zu haben. Dafür gab es keine Belohnungen, das machte auch nicht immer Spaß, aber er hatte an den Wahlsonntagen keine Ruhe, bis er nicht seine Kreuzchen gemacht hatte. Später wurde das durch die Briefwahl noch einfacher. Aber es sind ja nicht nur die Jungen, die am letzten Sonntag in den Sindelfinger Wahllokalen durch Abwesenheit „geglänzt“ haben. Auch viele Bewohner der Hochhäuser zogen es vor, zu Hause zu bleiben. Sie haben hier eine neue Bleibe gefunden, sie partizipieren von den teuren Wohltaten der Kommune, den Straßen und Wegen, den Parks und Spielplätzen, den Kitas und Schulen, dem Krankenhaus und dem Schwimmbad, aber der Gedanke, sich als wählender Bürger zu betätigen, kommt ihnen offenbar nicht. Sie nehmen gern alles an, aber etwas dafür zu geben, und sei es nur eine Viertelstunde Zeit für den Gang zur Wahl, das liegt außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Unsere Erziehung zur Demokratie sollte endlich Fahrt aufnehmen.

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