Statt dass es sich um die wesentlichen Fragen der Zeit kümmert, ergeht sich das Europa-Parlament in semantischen Verrenkungen, offenbar angetrieben von der Lobby der Landwirte und des Fleischerhandwerks. Darf eine Wurst diesen Namen tragen, auch wenn nichts Geschlachtetes in ihr ist? Darf ein Schnitzel so heißen, wenn es mit anderen Rohstoffen geformt wurde als den Resten eines tierischen Leichnams? Oder ist ein Burger nur dann einer, wenn er Fleisch enthält? Bisher konnte man im Supermarkt an der sprachlichen Zugabe „vegetarisch“ erkennen, dass ein Produkt frei von tierischen Beimengungen ist. Wer nicht völlig blind durch die Regalreihen schritt, war in der Lage, die Fleischtheke von der Nicht-Fleischtheke zu unterscheiden. Aber offenbar halten die Abgeordneten in Brüssel die Menschen für blöd. Das Wort „Wurst“ ist sehr alt und drückt aus, dass man etwas in etwas hineindreht. Es gibt Menschen, die wursteln sich durchs Leben, ohne eine Wurst zu essen. Es gibt Hanswurste, vielleicht sogar im Europaparlament, die kaspern herum. Wenn mir etwas wurst ist, dann habe ich keine Wurst in der Hand, sondern verhalte mich gegenüber etwas gleichgültig. Die Benennung von Würsten ist mir nicht wurst. Ich will mir nicht vorschreiben lassen, dass ich nur als Fleischesser Würste konsumieren darf. Ich beharre auf der fleischlosen Wurst, denn das Wort verrät mir, welche Form das Nahrungsmittel hat, dass es nämlich irgendwie „verwurstet“ wurde. Dass ein Schnitzel nicht aus Holzschnitzeln, zum Beispiel Sägemehl, besteht, sondern entweder aus einem Tier herausgeschnitten wurde oder aus einem Tofustück, das weiß vermutlich jeder mündige Einkaufende. Und die unmündigen? Die sollen sich erkundigen.
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