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Schlichter bei G 8 gesucht

Wenn alle miteinander streiten, wenn Argumente nicht mehr gehört werden, wenn keiner dem andern mehr traut und nur noch Schlimmes unterstellt wird, dann ist es Zeit für eine Schlichtung. So eine läuft gerade bei Stuttgart 21. Allerdings wissen wir noch nicht, wo es damit hinausläuft. Aber wir nehmen einmal an, dass nachher alle versöhnt sind, wieder aufeinander hören und sich über den Weg trauen.

Auch G 8 ist so ein Thema, dessen Diskussion vergiftet ist. G 8, das ist das Kürzel für den achtjährigen gymnasialen Bildungsgang. Der ist im Land Baden-Württemberg zum Zankapfel geworden. Eltern berichten von überforderten Kindern, die außer für die Schule für nichts mehr Zeit haben, in ihren Leistungen abfallen und krank werden.

Ministerin Schick hat wieder einmal versucht, die Wogen zu glätten. Die Kinder der Klassen 5 und 6 dürfen nur noch 32 Stunden (zu je 45 Minuten) und nicht mehr als zwei Nachmittage in der Woche Unterricht haben. Die folgenden Jahrgänge werden bei drei Nachmittagen gedeckelt. Die berühmten Pool-Stunden, einst eingeführt, um den Verlust an Unterricht, den der Wechsel zu G 8 mit sich bringen würde, ein wenig auszugleichen und das Baden-Württemberger Abitur solide zu halten, diese ursprünglich 12 Stunden hat man schon vor Jahren auf zehn reduziert. Nur fünf davon dürfen nun noch den Fächern zur Verfügung stehen; der Rest ist fürs Fördern bestimmt.

Auch das wird die Gemüter nicht beruhigen. Einige wollen unbedingt zurück zum neunjährigen Bildungsgang und damit auch zur einst beklagten Überalterung der hiesigen Abiturienten. Was tun?

Es muss geschlichtet werden, aber nicht vor laufenden Kameras, sondern so: Das Kultusministerium schickt an Schulen, in denen geklagt wird – das sind offenbar nicht alle – eine Person ihres Vertrauens, die nachfragt, worüber Klage geführt wird. Vielleicht genügen mancherorts nur ein paar kleine Änderungen am schulischen Organisations- und Unterrichtsmodell, um den Frieden herzustellen.

(Blog-Eintrag Nr. 231)

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Hundertprozentige Sicherheit

Ob man sie garantieren könne, die hundertprozentige Sicherheit, wurde beim Stuttgart-21-Treffen der Befürworter und Gegner gefragt. Es ging darum, ob irgendwelche Gesteinsschichten trotz eines durch sie hindurchgeführten Eisenbahntunnels stabil blieben oder ob es Probleme gäbe. Niemand wollte die hundertprozentige Sicherheit garantieren. Für die Gegner des Projekts heißt das: Ihr seht, das Ganze ist ein Risiko. Für die Befürworter heißt es: Es handelt sich um beherrschbare Risiken. Einigkeit lässt sich dabei nicht erzielen; denn es handelt sich nicht um Fakten, sondern um deren Bewertung und Einschätzung. Mal ist ein Glas halb voll, mal halb leer. Ersteres ist positiv, weil „voll“ als etwas Positives empfunden wird, Letzteres ist übel, weil man mit „leer“ wenig Erfreuliches in Verbindung bringt.
Häckerling hat nichts gegen die Schlichtungsgespräche, er hat auch nichts gegen den Schlichter und er findet nicht alles Befürworter sympathisch, aber auch nicht alle Gegner des Projektes. Man gibt sich Mühe; man versucht zu klären, was (er-)klärbar ist, aber der erhoffte Konsens wird sich nicht einstellen. Wie sollte das auch gehen, wenn in den Hinterköpfen ein Wahltermin herumspukt und die Sachfragen von Machtfragen überlagert werden.
So wird es denn tatsächlich (allerdings nicht mit hundertprozentiger Sicherheit) darauf hinauslaufen, dass wir Baden-Württemberger bei der Landtagswahl in erster Linie über ein Bauprojekt abstimmen und erst in zweiter Linie über die Parteien, denen wir die Regierungsgewalt übergeben.
(Blog-Eintrag Nr. 230)

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Atomares Feuchtgebiet

Die Autorin des bestsellerischen Buches „Feuchtgebiete“ hat zum „körperlichen Einsatz gegen die Atompolitik der Bundesregierung“ aufgefordert und will selbst ein Beispiel geben: Wenn der Bundespräsident das neue Energiegesetz nicht unterzeichne, sei sie bereit, mit ihm „ins Bett“ zu gehen – was immer auch das heißen mag

Da stellen sich nun einige Fragen. Erstens: Ist das jetzt ein Opfer der bekennenden Castorbekämpferin oder eher nicht? Zweitens: Soll das Bett vor oder nach der Nichtunterzeichnung aufgesucht werden? Im ersten Fall wäre es Bestechung, im zweiten Belohnung. Drittens: Sollte der Präsident aller Deutschen das Angebot nicht schon deshalb, weil er damit endlich gegenüber seinen Kollegen im Süden, Westen und Norden Boden gutmachen würde?

Politisch gesehen dürfte das „unmoralische Angebot“, wie es unsere Medien einstimmig nennen, eher die gegenteilige Wirkung haben. Denn kann Wulf jetzt tatsächlich noch seine Unterschrift unter das Gesetz verweigern, ohne ins Zwielicht zu geraten? Unterschreibt er nicht, wird man mutmaßen, dass er einen fremden Besuch in seinem Bett gehabt hat oder haben will, unterschreibt er, verscherzt er sich das Wohlwollen der atomaren Gegner.

Manchmal ist es schwer, ein Bundespräsident aller Deutschen zu sein.

(Blog-Eintrag Nr. 229)