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Ostern und Tod

Selten ist die frohe Botschaft von Ostern so unerbittlich mit der grausamen Wirklichkeit zusammengeprallt wie 2010. Während in den christlichen Kirchen von der Überwindung des Todes gepredigt wird, bringen Flugzeuge tote Soldaten vom afghanischen Krieg in die Heimat zurück. Das himmlische Evangelium vom Leben steht in heftigem Kontrast zur höllischen Geschichte des Todes. Wie kann man angesichts solch schlechter Nachrichten die „gute Nachricht“ glaubhaft verkündigen?

Es ist gut, dass die christliche Botschaft von Tod und Auferstehung nicht mehr von jenem platten Realismus geprägt ist, der es kritischen Hörern schon immer schwer gemacht hat, sie ernst zu nehmen: Ein am Kreuz Hingerichteter und anschließend Bestatteter schiebt kurze Zeit danach den Stein von seinem Grab weg, kommt heraus und begibt sich wieder unter Menschen. Sie sehen und hören ihn, sie dürfen sogar in seine Wundmale fassen. In alten Gemälden konnte man und in neuen Filmen kann man diese Geschichte bildlich gut umsetzen. Aber gerät sie damit nicht ins unterhaltsam Fiktionale und verliert an Glaubwürdigkeit?

Die Evangelien sind sehr zurückhaltend in ihrer Darstellung des mutmaßlichen Geschehens. Die Auferstehung wird nicht erzählt. Auf die Beerdigung Jesu folgt die Entdeckung des leeren Grabs am übernächsten Tag. Die Zeit und die Ereignisse dazwischen werden ausgespart. Berichtet wird nur von Frauen und Männern des Kreises um Jesus, denen Erfahrungen zuteilwurden, die sie als Begegnungen mit dem lebendigen, also „auferstandenen“ Christus deuteten.

Kann das heute den Angehörigen der Toten des afghanischen Kriegs ein Trost sein? Können sie die Särge sehen und auf „das neue Leben“ hoffen? Die Gefallenen werden sich nicht in Auferstandene verwandeln; sie sind tot und werden es bleiben. Dennoch bleibt die österliche Hoffnung. Sie eindrücklich zur Sprache zu bringen ist nicht nur die Aufgabe der Militärseelsorge, sondern aller, die das Christentum verkündigen. Hoffen wir, dass sie die richtigen Worte finden.

(Blog-Eintrag Nr. 170)

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Neuerverbungen

Nein, es ist nicht falsch geschrieben, das Wort in der Überschrift, obwohl das Schreibprogramm dies nachdrücklich behauptet. Es soll ein Wortspiel sein und darauf hinweisen, dass es im Deutschen ständig neue Verben gibt. Sonntag Aktuell hat uns (am 28.3.10) wieder einmal (mit leicht klagendem Tonfall) darauf hingewiesen und die Verben „simsen“ und „twittern“ erwähnt. Beide Wörter sind inhaltlich klar und klanglich ansprechend. Beim ersten mag der Unkundige an den Sims denken und sich fragen, was für eine Handlung mit ihm verbunden sein könnte. Auch die Reimnähe zu „bimsen“ ist bemerkenswert, ein fast vergessenes Wort für angestrengtes Lernen.

Dass man statt „twittern“ auch „zwitschern“ sagen könnte, wurde schon oft vorgeschlagen. Aber dies wird sich nicht durchsetzen, schon wegen der Assoziation zu dem geflügelten Wort: „Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen.“ Denn hier machen die Jungen gerade nicht dasselbe wie die Alten.

Ein verkrampftes neues Verb ist „downloaden“. Schon die Schreibung ist verquer und die Aussprache erst recht. Trotzdem hat es der Duden abgesegnet und nennt sogar das zugehörige Partizip: „downgeloadet“. Auch wer nicht deutschtümelnd ist, dürfte mehr Gefallen am „Herunterladen“ finden.

Wer skypt oder skypet, also mit Skype telefoniert, wird sich an diesem Verb nicht stören. Es ist auch keine deutsche Variante in Sicht. So sei das Verb denn willkommen im deutschen Wortschatz. Schwieriger wird es mit „booten“ (den Computer hochfahren). Die Nähe zum Boot und zum Ausbooten (jemand aus einem Wettbewerb werfen) stört etwas. Aber das Verb wird eh nur ein Schattendasein führen. So mag es denn weiter Verwendung finden.

Dass „hartzen“ aus der Jugendsprache kommt, wissen wir, seit das Wort einen Preis bekommen hat. Das faule Herumhängen bei regelmäßiger Sozialhilfe wird dadurch eindeutig und plastisch benannt. Das Wort bereichert zwar unseren Wortschatz, aber es zeigt auch mit dem Finger auf die Verarmung vieler in der Gesellschaft.

Das leistete einst auch das Verb „fringsen“ (sich erlaubterweise das Notwendigste fürs Leben klauen). Ein Kardinal (Frings genannt) hat diesem Verb Pate gestanden. Es war ein Kardinal, der in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Verständnis für Arme hatte.

(Blog-Eintrag Nr. 169)

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Volksfeindliches Theater

Halb leer war das Stuttgarter Schauspielhaus am 22.3.2010, als in einer Routine-Vorstellung gut einen Monat nach der Premiere der „Volksfeind“ gegeben wurde, ein Stück von Ibsen. Die Thematik des Schauspiels ist durchaus zeitgemäß: Vertreter ökonomischer Interessen verhindern die Aufdeckung der Wahrheit. Die lautet: Das Wasser eines Kur- und Heilbads in Norwegen heilt nicht, sondern macht krank. Der Verkünder dieser Botschaft wird durch allerlei Intrigen aus einem Volksfreund, der dem Volk reinen Wein über das unreine Wasser einschenken will, zum verfolgten Volksfeind.

Man müsste eigentlich wenig tun, um die Modernität dieses Werkes auf der Bühne sichtbar zu machen. Im Stuttgarter Staatsschauspiel tut man sehr viel dafür, zu viel. Das Ergebnis ist ein zerrupfter Ibsen, der den Vorwand für langweiliges Agitationstheater bieten muss.

Die Stuttgarter Zeitung sah das in ihrer Kritik (22.2.10) ganz anders. Da spricht Roland Müller von der „satirischen Aktualisierungskunst“ der Dramaturgen. Dabei ist nur recht mittelmäßiges Politkabarett zu sehen. Dessen Botschaft ist ebenso geistlos wie schlicht: Die (natürlich liberale) Machtelite Deutschlands ist – einschließlich der Presse – durch und durch korrupt. Sie scheut vor keiner Schandtat zurück, um die Wahrheit zu vertuschen und ihre Renditen nicht zu gefährden.

Müller versteigt sich gar zu der Aussage, dass sich das Theater, er meint das Staatsschauspiel in Stuttgart, zum „lebendigen Ersatzparlament der Stadt“ entwickle. Das beweise „schlagend“ dieses „lokalpolitisch eingefärbte“ Stück. Und das sei gut so, meint er abschließend.

Es ist gar nicht gut, weil es kein gutes, sondern dürftiges Theater ist. Wir bekommen simple Worterklärungen: „Geldwäsche“ wird dadurch veranschaulicht, dass jemand einen Geldschein in einen Wasserkrug taucht, und „Schlammschlacht“ durch das Werfen von Dreckbollen. Und was soll man davon halten, dass die Schauspieler endlose Reden ans Publikum halten, in denen sie uns zum Beispiel erklären wollen, wie Demokratie funktioniert? Diese Darlegungen sind einfach öde, die juristischen Hinweise zum Ablauf eines Bürgerbegehrens sogar teilweise falsch. Aber zum Glück versteht man vieles nicht, weil die Akteure ständig herumschreien.

Bemerkenswert ist, dass der Theaterabend dann an Intensität gewinnt, wenn die Schauspieler ein bisschen Original-Ibsen spielen dürfen und nicht die matten Texte der Dramaturgen herunterbeten müssen.

(Blog-Eintrag Nr. 168)