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Unkalkuliert – Lehrerfortbildung und Unterricht

Es gehört zu den beliebten Denkfiguren derer, die wenig davon verstehen: Man kann viel Geld sparen, wenn die Lehrer sich in der unterrichtsfreien Zeit fortbilden lassen; denn dann fällt kein Unterricht deswegen aus. Logisch – oder etwa nicht? Jedenfalls sieht es das auf Einsparungen sinnende Finanzministerium in Baden-Württemberg so.

Rein rechnerisch gesehen, liegen die Dinge anders: Unterricht, der nicht ausfällt, muss nicht vertreten werden, kostet den Staat also auch nichts. Wenn jemand Aufsicht führen muss, weil jemand auf Fortbildung ist, kostet es auch nichts, denn der Aufsicht Führende bekommt dafür in der Regel nichts. Wo also ist die Ersparnis, wenn der Fortbildung wegen kein Unterricht mehr ausfällt?

Selbstverständlich kann man Fortbildungsveranstaltungen auf unterrichtsfreie Zeit legen, auf Nachmittage, auf Samstage, auf Ferientage. Das geschieht auch. Ich kenne etliche Beispiele. So beginnen viele Veranstaltungen der Seminare um 14.00 Uhr und enden gegen 18.00 Uhr. Vor kurzem sind die Lehrerinnen und Lehrer einer Schule in Oberschwaben mit ihren privaten PKW am Freitagnachmittag nach Wildbad zur Fortbildung gefahren und am Samstagnachmittag wieder zurück. Die Umwelt freute es nicht, aber die Staatliche Akademie, denn die hatte Kunden. Eine andere mir bekannte Schule hat drei Tage in der letzten Sommerferienwoche zur Fortbildung genutzt.
Nur: Was machen die Staatlichen Akademien, wenn die Lehrer nicht mehr unter der Woche kommen dürfen und wenn nur noch von Freitag auf Samstag übernachtet wird? Sie stehen leer. Und das kostet nichts?

Bei der ganzen Debatte vergisst man, dass die unterrichtsfreie Zeit am Nachmittag zur Vorbereitung des Unterrichts und zur Erledigung von Korrekturen da ist. Das Wochenende hat in Deutschland bislang den Sinn, den arbeitenden Menschen Erholung und Abstand vom beruflichen Stress zu ermöglichen. Gilt das für Lehrer nicht?

Eine kontinuierliche Fortbildung der Lehrkräfte ist dringend nötig. Nur dann besteht die Aussicht, die dringend gebotene neue Form des Unterrichtens zu realisieren. Wenn die Fortbildung zur Selbstausbeutung führt, wird sie unattraktiv. Aber vielleicht ist das der heimliche Wunsch der Finanzleute: Wenn keiner mehr auf Fortbildung geht, sparen wir Geld. Wenn sie sich da nur nicht täuschen.

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Unseriös – die Koalitionsberichterstattung

Man kann über alles schreiben, man kann auch über nichts etwas schreiben. Wer Geschriebenes liest, meint Bescheid zu wissen. Das ist reichlich unbescheiden; denn wir wissen oft nichts, obwohl wir es meinen, aber das wissen wir nicht. Man merkt: Ich schreibe von der Berichterstattung über die Berliner Koalitionsgespräche.

Was ich zu wissen meine: Im Wahlkampf kann eine Partei ihre Ziele als Programm klar und unzensiert formulieren. Sie will den Wählern sagen: Das wollen wir, wenn wir dürfen. Nach der Wahl braucht das Land eine Regierung. Die besteht bei uns aus mehreren Parteien, die sich auf Gemeinsames einigen müssen. Was dabei herauskommt, nennt man Kompromiss. In Deutschland, wo man solche Übereinkünfte nicht gut findet, spricht man gerne von „faulen Kompromissen“. Die gibt es natürlich, aber ist die Alternative, die Einigkeit darüber, dass man sich nicht einig ist, besser?

Zurzeit werden uns alle Tage in den Abendnachrichten irgendwelche Ergebnisse der schwarz-gelben Koalitionsgespräche mitgeteilt. Die finden die Journalisten meistens nicht gut und kommentieren sie herunter. Die Zeitungen am nächsten Morgen schließen sich an. Die Leser und Bürger glauben nun zu wissen, was auf sie zukommen wird: nichts Gutes. Aber sie wissen nicht, dass sie fast nichts wissen, denn die täglichen Wasserstandsmeldungen sind oft nur Versuchsballone und sagen nur wenig darüber aus, was letztendlich im Koalitionsvertrag stehen wird. Und was dort stehen wird, ist noch lange kein Gesetz, sondern eine Verabredung, eine Absichtserklärung. Bei der Umsetzung dieser Absichten in Gesetze passiert bekanntlich sehr viel. Und es kann auch sonst so einiges passieren, wie wir wissen, zum Beispiel eine Finanzkrise oder ein Krieg in Afghanistan oder eine Umweltkatastrophe.

Was einstmals „hinten“, also am Ende aller Beratungen und Abstimmungen, an Gesetzen herauskommen wird, dürfte mit dem, was jetzt vorne aus den Mündern der Sprecher und Schreiber herauskommt, nur noch wenig zu tun haben. Wer jetzt schon alles für bare Münze nimmt, sitzt unseriöser Berichterstattung auf. Mein Rat: alles, was derzeit geredet und geschrieben wird, nicht ganz so ernst nehmen.

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Uneinig – Böblingen und Sindelfingen

Not lehrt beten, heißt es. In Sindelfingen lässt der Mangel an Steuereinnahmen die Idee einer Vereinigung mit Böblingen aufleben. Die soll Geld sparen, sagt deren Oberbürgermeister. Aus dem gleichen Grund, der administrativen Synergieeffekte wegen, wollten die Planer der Gemeindereform schon in den 1970er Jahren die Zusammenlegung der beiden Kommunen. Sie wäre damals durchaus sinnvoll gewesen, ist aber am heftigen Widerstand vieler Einheimischer gescheitert. Die konnten sich ein Zusammengehen „mit denen drüben“ überhaupt nicht vorstellen. Beim Fest der Nichtvereinigung ist damals viel Freibier getrunken worden. Der Jubel der Sieger ist mir noch in unguter Erinnerung. Die Befürworter mussten allerlei Hohn ertragen. Inzwischen war Sindelfingen einmal die reichste Kommune in Deutschland und dann wieder eine der ganz armen.

In den letzten 35 Jahren haben sich die beiden Städte eher auseinander entwickelt. Die Autobahn und die Bahnlinie trennt sie auf die sichtbarste Weise. Die neu entstandenen Siedlungen, das Straßennetz und auch der Nahverkehr haben die Trennung verstärkt. Viel Geld wurde ausgegeben, um das Prestige der je eigenen Stadt zu stärken. Daran leidet man jetzt.

Es gab und gibt zwar Ansätze zu gemeinsamem Handeln, aber sie sind mit einem erheblichen und auch teuren Aufwand verbunden. Das „Gemeinsame Gremium“ der beiden Städte verdient kaum den Namen. Man ist, auch wenn man sich zur Gemeinsamkeit durchringt, politisch schwach. Siehe die unendlichen Verzögerungen bei der S-Bahn nach Renningen. Siehe die kläglichen Erfolge bei der Einhausung (Überdeckelung) der Autobahn. Weder das kulturelle Angebot noch das sportliche sind aufeinander abgestimmt. Und auch die Bebauung ist kein Zeugnis gemeinsamen Gestaltungswillens.

Böblingens Oberbürgermeister kommentiert den Vorschlag des Sindelfinger Kollegen ablehnend. Der wird, vermute ich, Abstand von seiner Idee nehmen, sobald die Einnahmen seiner Stadt wieder steigen. Eine „aus der Not“ geborene Städte-Union hat wenig Aussicht auf Erfolg.