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Undeutliche Forderung

Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag von Baden-Württemberg hat etwas gefordert, was der schulische Laie nicht oder falsch versteht. Laut Stuttgarter Zeitung vom 12.8.09 verlangt der die „Rückkehr der Fachberater“ an die Gymnasien. Sind die denn weg?

Nein, es gibt sie immer noch, nur wurden ihnen vor einigen Jahren bei der Umwandlung der Oberschulämter in Abteilungen des Regierungspräsidiums die Flügel gestutzt. Das heißt: ihre Aufgaben wurden beschnitten. Während sie in früheren Jahren Unterrichtsbesuche an den Schulen machten, zum Beispiel im Rahmen von Beförderungen, bei Bewerbungsverfahren oder Beschwerden, ist ihnen dies nunmehr verwehrt. Das Recht und die Pflicht, den Unterricht der Lehrerinnen und Lehrer einer Schule zu besuchen, liegen jetzt ganz allein beim Schulleiter. Man unterstellt, dass er oder sie in allen Situationen und in allen Fächern der/die Richtige ist, die Leistung einer Lehrkraft zutreffend zu beurteilen. Die Ergänzung oder auch Korrektur durch das Urteil eines Fachberaters, der von außen kommt, ist entfallen. Das spart Geld. Und das war auch der Grund für diese „Reform“.

Aber es trägt auch – das ist meine entschiedene Meinung – zu einem Verlust an Unterrichtsqualität bei. Wie soll ein Schulleiter allein in der Lage sein, die rund sechzig Kolleginnen und Kollegen seiner Schule ständig im Auge zu haben und ihnen die richtigen Ratschläge und Anstöße zur Weiterentwicklung ihres Unterrichts zu geben? Das ist unmöglich.

Und die Folge ist, wie gesagt, ein Verlust an Qualität. Neue Formen des Unterrichts, wie sie der Bildungsplan von 2004 fordert, also Kompetenzorientierung und Stärkung der Eigentätigkeit der Schüler, haben kaum Chancen. Dafür ist Stagnation angesagt. Beim nächsten PISA-Bericht werden wir die Quittung für diese Fehlentscheidung bekommen.
Wenn ich den liberalen Fraktionschef richtig verstehe, will er die Rückkehr zum alten Zustand. Da kann man ihm nur zustimmen. Hoffentlich hat er Erfolg.

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Unmaßgebliche Meinung

Die Zeitung will, dass ich eine Meinung zur Sinnhaftigkeit des Konjunkturprogramms II habe (Stuttgarter Nachrichten, 11.8.09). Grundlage der Meinungsbildung sind Informationen. Was weiß ich also?

Eigentlich wenig. Beim Bund liegen, auf einer Art Girokonto, wie zu lesen ist, etliche Milliarden und warten darauf, abgerufen und ausgegeben zu werden. Das geschehe allerdings noch eher zögerlich, heißt es. Das nun wiederum ist verständlich, denn die meisten Projekte, in die das Geld fließen soll, sind zumeist noch im Anfangsstadium. Man musste sie zunächst planen, dann beschließen, dann ausschreiben, dann den in Frage kommenden Firmen den Zuschlag geben. Danach konnte oder kann man anfangen zu bauen, zu reparieren, zu sanieren. Der Bund zahlt aber erst, wenn das Projekt abgeschlossen und abgerechnet ist. Das kann dauern.

Ich soll also eine Meinung dazu haben, ob die Mittel des Konjunkturprogramms II sinnvoll ausgegeben werden. Das will ich doch stark hoffen. Es wäre ja ein Skandal, wenn im Land Baden-Württemberg Geld in Sinnloses flösse. Ich unterstelle also, das Geld wird für die Sanierung von Gebäuden und Einrichtungen verwendet, die es nötig haben. Ganz obenauf stehen dabei Kindergärten und Schulen, Bäder und Bibliotheken. Da bin ich natürlich sehr einverstanden. Ob allerdings jede Maßnahme sinnvoll ist, weiß ich nicht; denn wie sollte ich als Bürger prüfen, ob die Reparaturen an der Schule A dringlicher sind als die am Kindergarten B?

Aber die Grundfrage ist nicht, ob es vertretbar ist, öffentliche Einrichtungen im Schuss zu halten. Das ist selbstverständlich. Die Grundfrage lautet: Ist das Konjunkturprogramm II sinnvoll, das heißt erfüllt es seinen Zweck, die Konjunktur anzukurbeln? Das weiß ich nicht. Nicht einmal die Politiker und ihre Fachleute wissen es. Sie behaupten es nur. Wissen werden wir es erst in ein paar Jahren, wenn alle Daten ausgewertet sind.

Die Antwort auf die Meinungsfrage der Zeitung lautet also: Ich habe keine, weil ich noch gar keine zu haben in der Lage bin, die sich auf solide Informationen stützen könnte.

Im Übrigen: Welchen Sinn hat meine Meinung zu etwas, das längst beschlossen und umgesetzt wird? Keinen.

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Unheilige Religion: Fußball

Das Sonntagsblatt, das keine religiöse Postille, sondern die siebte Ausgabe unserer Tageszeitung ist – Sonntag Aktuell – thematisiert (am 9.8.09) den Fußball und nebenbei auch die Religion, indem sie beides in Beziehung bringt: Fußball sei für viele Menschen wichtiger als die Religion.

Man könnte die Aussage zuspitzen: Fußball ist für viele die Religion, denn mit ihm lebt man am Wochenende auf, von ihm lässt man sich „erfüllen“, über ihn spricht man und erregt man sich, ihn nimmt man wichtiger als vieles andere.
Diese Begeisterung über den Fußball – wie merkwürdig, dass in „Begeisterung“ das Wort „Geist“ vorkommt – müsste bei den Kirchen Neid auslösen. Wenn Kinder Fußball spielen, sind sie voll und ganz bei der Sache, sie geben ihr Bestes, sie werden aus Einzelkämpfern zu Spielern im Team, sie regen sich über einen „Fehlpass“ oder ein böses Foul auf; denn das sind schlimme „Sünden“. Aber sie freuen sich auch über gelungene Spielzüge und gar Tore und loben den Erfolgreichen, umarmen ihn, jubeln gemeinsamüber ihren Erfolg – ein Jubelchor der besonderen Art.

Dieses chorische Verhalten kann man auch in den großen Stadien, beim Profi-Fußball, erleben, und zwar nicht nur auf dem Rasen, sondern vor allenm auf den Rängen. Da finden sich Menschen emotional zusammen, die einander vorher fremd waren: sie schreien, sie leiden, sie freuen sich. Beim Fußball werden viele zu solchen Menschen, die sie in der Kirche eigentlich sein sollten. Dort, auf den Fußballplätzen, wird sogar über Entscheidungen der Obrigkeit, der Schiedsrichter, heftiger diskutiert als in den Kirchen über die Verlautbarungen der Kirchenoberen.

Im Gottesdienst geschieht derlei selten und wenn doch, dann eher verhalten. Ich wünsche der Religion mehr Fußballstimmung.