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Unstimmige Metapher 2: Milliardenloch

Der Bundespräsident hat uns wissen lassen, dass es mit unserem Staatshaushalt wegen des „Milliardenlochs“ ein Problem gebe. Ich verstehe das auf Anhieb: Es gibt ein gewaltiges Defizit bei den Staatsausgaben. Es wird mehr ausgegeben als eingenommen. So ist ein Loch in der Kasse entstanden, bildlich gesprochen.

Es gibt vielerlei und sehr reale Löcher. Wühlmäuse verschwinden in einem Loch in der Erde, einem Erdloch. Ein Loch im Eis, das könnten wir ein Eisloch nennen, zu einem in der Luft – das soll es geben, behaupten Fluggäste – sagen wir Luftloch.

Was ist ein Loch? Ein Loch ist da, wo nichts ist, wo etwas fehlt. Ein Loch ist im Eimer, im Strumpf, im Zaun. Das kann man, das muss man reparieren, indem man es stopft. Auch das Loch in der Staatskasse muss gestopft werden.

Aber was ist ein Milliardenloch? Dieses zusammengesetzte Substantiv – die Grammatiker sprechen von einem Kompositum – ist schwer aufzulösen. Es ist kein Loch aus Milliarden; denn dann wäre dort (im Loch) etwas (Milliarden), wo angeblich nichts ist.  Es ist auch kein Loch in den Milliarden, denn dann wäre ja noch einiges um die Milliarden herum da und nur an der Stelle, wo das Loch ist, gäbe es Probleme.

Das Loch, von dem der Präsident redet, ist, wie gesagt, die Folge von zu wenig Steuereinnahmen und zu viel Staatsausgaben.  Es wurden viele Milliarden Euro ausgegeben und das führte zu einem metaphorischen Loch. Real fehlt gar nichts. Das Geld wurde ausgegeben; es war also da, denn man kann nicht etwas ausgeben, was nicht da ist. Der Finanzminister hat das Geld, das nun fehlt, erzeugt und damit das Loch geschaffen – es aber sofort wieder gestopft, und zwar durch Kredite, die der Staat aufgenommen hat. Denn auch der Staat kann nur ausgeben, was er hat. Das verbindet ihn mit uns gewöhnlichen Sterblichen. Nur beim Stopfen von Löchern tun wir uns schwerer.

Wir haben also kein Milliardenloch, sondern der Staat hat Schulden in Milliardenhöhe, er ist „milliardenschwer“ verschuldet, er steht “in der Kreide”, er muss das Loch im Etat, das vorläufig mit Krediten gestopft wurde, wieder richtig füllen. Mit einem Milliardenberg Euro aus Steuern?

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Unstimmige Metapher 1: Talsohle

Krisen bringen ihre eigenen Sprachbilder hervor. Unsere derzeitige hat uns schon allerlei beschert, zum Beispiel das Schnüren von Paketen. Das hat einen hoffnungsvollen Klang; denn wer erhält nicht gerne ein Paket, vor allem dann, wenn es ein Geschenk enthält?

Da in Krisen nichts wichtiger ist als die Hoffnung, geht es nun darum, sie anschaulich zu machen. Dafür haben sich die sprachlichen Meinungsmacher die Talsohle ausgedacht. Die, so erfahren wir, sei in Sicht.

Unter einer Talsohle versteht man den „Boden“ eines Tales, also den Teil, der bei einem landschaftlichen Einschnitt ganz unten ist. Dort fließt auch der Bach, der das Tal ausgeschnitten und geformt hat. Allerdings bedeutet das: ein Tal ist nicht eben, sondern schief, es muss sich nach unten neigen, wie sonst könnte das Wasser fließen? Die Talsohle hat ein unterschiedliches Höhenniveau. Wenn sie also „in Sicht“ ist, an welchen Abschnitt sollen wir denken, den unteren oder den oberen, von dem aus es noch einige Zeit weiter abwärtsgeht?

Die andere Frage, die mich bei dieser Metapher bewegt, ist der Standort des Betrachters. Die Talsohle sieht man von oben am besten. Vom Berg aus kann man auf sie hinunterschauen. Von dort aber ist der Weg ins Tal oft noch recht weit. Die Talsohle in Sicht zu haben, sagt also leider nichts darüber aus, wann man sie nach einem langen und mühseligen Abstieg endlich erreicht haben wird.

Und so verwandelt sich das vermeintlich tröstliche Bild beim Blick auf unsere Krise in ein eher beängstigendes. Wir sehen offenbar aus der Ferne (schon!?) das Ende von ihrem Wachsen, aber wie weit es noch ist, bis sie ihren Höhepunkt, genauer: ihren Tiefpunkt, erreicht hat, bleibt ungesagt.

Was in meinen Augen aber noch schlimmer ist: Wer kann uns versprechen, dass „die Wirtschaft“, wenn sie denn schließlich „ganz unten“ in der Talsohle angekommen ist, wieder den Weg nach oben einschlägt?

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Unspektakuläres Viertelhundert

Man kann vieles feiern: den normalen oder runden Geburtstag, die silberne oder goldene Hochzeit, das Abitur oder dessen 25-jährige Wiederkehr, den Einstieg in den Ruhestand oder (was aufs Gleiche hinausläuft) den Ausstieg aus dem aktiven Berufsleben. Aber kann man einen (oder ein) Weblog feiern? Kaum

Der in der Kopfzeile dieses Blogs Abgebildete erlaubt sich daher nur in aller Bescheidenheit den Hinweis, dass man nun schon fünfundzwanzig Einträge im „Häckerling“ finden kann.  25 Einträge, das ist natürlich überhaupt kein Grund zur Freude, auch nicht zum Feiern oder Festen, denn die Einträge weisen eher auf Unerfreuliches, Unfeierliches und Unfestliches hin. Sie legen den Finger vielmehr auf Ungutes und Unbedarftes und gehen dabei – wie manche Kritiker sagen – ziemlich unsanft vor.

Ein Schuster, so sagt die Redewendung, soll bei seinem Leisten bleiben, Nur dann wird ein Schuh aus dem, was er tut. Was die Blogger sich weltweit leisten, ist beeindruckend, aber es wird nicht immer ein Schuh daraus, weil sie ihr Metier verlassen. Häckerling hat sich bemüht, bei seinen persönlichen Leisten zu bleiben: Sprache, Zeitung, Schule, Kultur, Kirche, Kommune. Er hat sich die Anlässe zu seinen Einträgen nicht gesucht, sie auch nicht langfristig geplant. Die Motivation zum Schreiben stellte sich ganz unvermutet ein, wird doch alle Tage so viel leeres Stroh gedroschen, dass gar viele Häckerlinge herumliegen, auf die man unvermutet tritt.

Der unbekannten Zahl unbekannter Leserinnen und Lesern sagt Häcker Dank, den Kommentatoren Nana, Boris und Tobi auch, und zwar einen ganz besonderen. Ihre Einlassungen haben den Schreiber zum Zurückschreiben beflügelt. Widerspruch reizt bekanntlich zum Widerspruch.

Also denn: Ich hacke weiter auf leerem Stroh herum, unerschrocken und unbeirrt.