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Unebene Fahrwege

Sindelfingen hat ein großes Problem: Der Stadt fehlt viel Geld. Der größte Gewerbesteuerzahler der Kommune, eine Firma, die dem Vernehmen nach besonders noble Karossen herstellt, hat es geschafft, den Sinn des Wortes Steuer umzudrehen. Nun zahlt Sindelfingen Gewerbesteuer an die Autobauer. Es handelt sich um ein Konjunkturprogramm der besonderen Art.

Wie zu hören ist, muss die Stadt zur Finanzierung dieser die Wirtschaft fördernden Maßnahme Kredite aufnehmen. Das ist nicht originell. Damit liegt sie ganz auf der Linie von Bund und Ländern. Auch die verschulden sich gewaltig, um, wie man sagt, „die Wirtschaft anzukurbeln“ (ein Bild aus der Autosprache?).

Aber die Sindelfinger Finanzfachleute haben dazu noch eine ganz besonders originelle und listige Idee: Wenn uns „der Daimler“ kein Geld gibt, so ihre Überlegung, dann lassen wir zum Ausgleich die Straßen verkommen. Es gibt eine Schlaglochtiefe, die rechtlich gerade noch erlaubt ist, das heißt die Stadt vor Strafanzeigen bewahrt. Wie tief es gerade noch geht, das wird derzeit offenbar mit Experten der Versicherungsbranche abgeklärt.

So werden also künftig die großartigen Autos mit dem Stern auf holprigen Straßen fahren müssen. Die Schlaglöcher werden zum Symbol der Löcher in der Stadtkasse. Wer sein Auto schonen will, muss langsamer fahren. Auch so kann man unsere Gesellschaft „entschleunigen“.

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Unkorrekte Schreibung 1: Roter Planet

Wir alle machen Rechtschreibfehler. In amtlichen Dokumenten sind sie zu vermeiden, in privaten Texten haben sie keine Bedeutung, in schulischen Arbeiten werden sie angestrichen, in der Zeitung finden wir sie täglich. Ein Grund sich zu ärgern? Nein, eher einer zum Schmunzeln oder Nachdenken oder dafür, die Beispielsammlung für den Rechtschreibunterricht zu erweitern.

Mein lokales Blatt, die Sindelfinger Zeitung, bringt heute (am 17.06.09) ein solches Beispiel. Auf der Seite 13 steht folgende originelle Überschrift: „Der rote Planet (gemeint ist der Mars) erreicht das Rathaus“. Das Wörtchen „rot“ ist kleingeschrieben. Stimmt das so?

Es stimmte mal. Vor der Rechtschreibreform von 1996 hat man die Farbadjektive bei Gestirnen kleingeschrieben; also war der „blaue Planet“ die Erde und der „rote Planet“ der Mars. Diese Schreibung ist nicht sinnvoll, weil inkonsequent, handelt es sich doch auch hier um „Eigennamen“, vergleichbar dem Roten Kreuz und der Blauen Mauritius. Schließlich schrieb und schreibt man in diversen geografischen, historischen und anderen Bezeichnungen von Einmaligem die Farben groß: das Rote Meer und die Rote Armee (in der ehemaligen Sowjetunion), der Blaue Nil und der Blaue Reiter (eine Gruppe von Malern), der Gelbe Fluss (damals, vor 1996, noch mit ß) und die Gelben Seiten (im Telefonbuch). Also und konsequenterweise wurde vor fast 15 Jahren beschlossen, auch dem Mars als einmaligem Planeten ein großgeschriebenes Farbadjektiv zu verordnen: der Rote Planet. Diese Festlegung hat alle Reformen der Schreibreform überstanden.

Ich will der Sindelfinger Zeitung nicht die rote Karte (oder die Rote Karte) zeigen, sondern ihr nur den Vorschlag machen: Investieren Sie in ein aktuelles Wörterbuch!

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Unkaiserliches Jubiläum

Die Sindelfinger Zeitung hat am Samstag (13.6.09) ihr 60-jähriges Jubiläum gefeiert, mit allerlei prominenten Gästen, so auch dem Ministerpräsidenten des Landes, Günther Oettinger. Er nannte die Zeitung (diese Zeitung?) ein Kulturgut.

Eigentlich ist sie schon älter, die Sindelfinger Lokalzeitung. Im Bericht über das Leserfest (am 15.6.09) wird uns auch verraten, wie alt: 1890, im „Dreikaiserjahr“ sei die erste Ausgabe des Blattes erschienen. Potzblitz, so alt dieses Kulturgut schon!

Aber was hat es mit dem Dreikaiserjahr auf sich? Davon gibt es einen hübschen Vers, den die Kinder (und nicht nur sie) einst auswendig wussten: „Eins und dreimal acht: Drei Kaiser an der Macht“. Also nicht 1890, sondern 1888 war das. Da fragt man sich nun: Gibt es die Zeitung schon seit dem Dreikaiserjahr oder seit 1890? Das müssten die Kulturgutredakteure noch einmal recherchieren.

Nebenbei: Vielleicht kennen auch noch einige den anderen Satz: „Wilhelm I. war der greise Kaiser, Friedrich III. der weise Kaiser und Wilhelm II. der Reisekaiser.“ Wir alle wissen hoffentlich noch, wohin die Reise mit ihm ging.