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Überinterpretiert – gymnasiale Abschlüsse

Mit der Überschrift „Immer weniger Abiturienten“ schafft die Stuttgarter Zeitung (vom 9.11.09) mehr Verwirrung als Erkenntnis. Sie missdeutet eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, in der ein Rückgang der Zahl der Abiturienten von 2003 bis 2007 um drei Prozent auf 27,6 Prozent festgestellt wird. Gleichzeitig weist man darauf hin, dass sich das Gymnasium „zunehmender Beliebtheit“ erfreue. Die äußert sich in steigenden Übergangsquoten. Auch wird auf die niedrige Sitzenbleiber-Quote in Baden-Württemberg (unter 2%) hingewiesen. Wie passt das zusammen, wenn alle Angaben stimmen, woran man nicht zweifeln mag.

Es ist ganz einfach. Die Abiturienten von 2003 bis 2007 sind die Fünftklässler von 1994 bis 1998. Damals hat sich das Gymnasium „sinkender Beliebtheit“ erfreut. Weniger Kinder wechselten dorthin bzw. die Bildungsempfehlung fürs Gymnasium wurde nicht in Anspruch genommen. Kein Wunder, dass neun Jahre später weniger Schüler mit Abitur von der Schule gehen.

Inzwischen ist die Zahl der Kinder, die aufs Gymnasium wechseln, sowohl relativ als auch absolut deutlich gestiegen. Das wird sich nach Ablauf der neun- oder achtjährigen Schulzeit auch statistisch auswirken. Den Höhepunkt wird das Jahr 2012 bilden, wenn zwei Abiturjahrgänge die Gymnasien verlassen.
(Blog-Eintrag Nr. 106)

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Übertrieben – ständiges DDR-Gedenken

Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten war ohne Zweifel ein bedeutendes historisches Ereignis. Sich daran zu erinnern ist wichtig. Wir haben dafür sogar einen gesetzlichen Feiertag geschaffen, den 3. Oktober. Doch offenbar reicht der nicht; wir sollen der Einigung auch sonst regelmäßig gedenken. Nach fünf, nach zehn, nach 15 Jahren haben wir es getan und jetzt, nach 20 Jahren, tun wir es wieder. Und wie! Die Zeitungen überschlagen sich mit Ost-Geschichten; das Fernsehen deckt uns ebenfalls damit ein. Das alles ist nur noch mäßig spannend, denn wir hören vieles nicht zum ersten Mal. Und Verklärendes über das einstige kommunistische Regime zur Kenntnis nehmen zu müssen, ist für unsereins eher eine Zumutung.

Dennoch bekommen wir ehemals Westdeutschen ständig Vorwürfe. So lese ich im neuen Heft „Leben“ der ZEIT vom 5.11.09, dass wir uns zu wenig für die Menschen und die Geschichte der ehemaligen DDR interessieren. Deshalb würden die Ost-Bürger lieber schweigen. Das klingt beleidigt.

Man könnte natürlich als Retourkutsche fragen, ob sich der einstige DDR-Bürger für die Geschichten aus Baden und Württemberg interessiert oder für unsere trüben Erfahrungen mit Reisen in die „Zone“ oder für die wirtschaftlichen Folgen des Geldabflusses in Richtung Neue Länder? Um das Erste müht sich seit Jahren erfolglos eine Werbeagentur, vom Zweiten mag man nicht immer wieder erzählen und vom Dritten schweigen wir lieber.

Man sollte das Erinnern nicht übertreiben. Es gibt viele drängende gemeinsame Probleme, die der Lösung harren.
(Blog-Eintrag Nr. 105)

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Überschätzt – schwammige Steuervoraussagen

Voraussagen sind gefragt, Steuervoraussagen ganz besonders. Sie geben reichlich Stoff für politische Diskussionen und bilden die Vorgaben für die Etats des Bundes, der Länder und der Kommunen. Leider werden sie überschätzt und missbraucht, denn sie sind zwangsläufig ungenau.

Gestern (am 5.11.09) wurden wir wieder einmal mit einer Steuerschätzung bedacht. Sie korrigierte die vom Mai. Offenbar war die etwas ungenau. Es würden über 3 Milliarden Euro weniger an Steuern eingehen, als man im Frühjahr dachte, erfahren wir. Das klingt nach viel. Wenn man es aber auf die Zahl 524 Milliarden Euro bezieht, die Höhe der zu erwartenden Einnahmen, stellt man fest: Die Veränderung der Prognose beträgt deutlich weniger als ein Prozent. Kann jemand so genau schätzen? Ist das nicht eine zwangsläufige Ungenauigkeit? Lohnt es sich überhaupt, über eine so marginale Korrektur zu diskutieren? Es ist „nur“ eine Schätzung, die irgendwann von der Wirklichkeit überholt wird.

Häckerling ist nicht der Meinung, dass Steuerschätzungen unnötig oder gar unwichtig seien, er mokiert sich nur über die Aufgeregtheit der politischen Diskussion. Ob die neue Regierung eine Steuerreform mit Entlastungen angehen soll oder kann, das hängt nicht von der gestrigen Steuerschätzung ab, sondern von der tatsächlichen Entwicklung in den nächsten Monaten. Hoffen wir, dass die es möglich macht, das Versprechen einzulösen. Dass man die Liberalen dafür geißelt, ein Wahlversprechen einhalten zu wollen, ist schon merkwürdig.
(Blog-Eintrag Nr. 104)