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Ungemütliches Sofa oder Wie Grüne Wahlkampf betreiben

Auf den ersten Blick ist das eine originelle Idee: raus aus den Nebenzimmern der Gasthäuser, hinaus in die Natur, Politik im Grünen auf einem grünen Sofa, einer grünen Parkbank, wie die regionale Zeitung richtigstellend schreibt. Auf der Bank sitzt der Kandidat der Grünen und unterhält sich mit einer prominenten Person des Wahlkreises. Ein solches Gespräch ist sicher sinnvoll; Kandidaten sollten die Probleme ihrer Gegend erfahren und wenn sie von Kundigen darüber informiert werden, kann das allen Beteiligten nur nützen.

Doch Wahlkampf wird das erst, wenn möglichst viele zusehen und zuhören. Wie kann das bei einem Vieraugengespräch auf einem Sofa, einer Parkbank gelingen, wo man Seite an Seite sitzt, den Kopf zuwendet, um sich zu sehen und zu verstehen? Man braucht ein Mikrofon und Lautsprecher, man braucht Sitzgelegenheiten für die Zuhörer, die potenziellen Wähler – oder sollen die stehen bleiben, während die beiden in ein Gespräch Vertieften gemütlich sitzen? Und was ist, wenn es regnet? Werden dann Schirme bereitgehalten oder Plastikumhänge wie im Freilichttheater?

Und dürfen die Zuschauer die beiden auf der Bank etwas fragen oder ihnen nur zusehen und zuhören? Das Fragen und Antwortbekommen wäre nur recht und billig.

Doch dann würde aus dem gemütlichen Wahlkampfauftritt im Grünen schnell wieder eine ganz gewöhnliche Wahlveranstaltung, im Freien zwar und auf einem grünen Sofa, aber von ähnlichem Unterhaltungswert wie die im Gasthaus.

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Unabsichtliche Unklarheit oder Was der Bildungsföderalismus soll

Die Stuttgarter Zeitung liefert uns (am 24.8.09) einen Kommentar zur Bildungspolitik, dessen Unklarheit beunruhigt. Unter dem Titel „Auf den Hund gekommen“ wird über eine Krise des Bildungssystems geklagt, die eine Folge des schwarz-roten Umgangs mit dem Föderalismus sei. Von den regierenden Parteien werde „das Bildungssystem zerrieben“, heißt es.

Mir wird nicht deutlich, was die Verfasserin eigentlich will: klare föderale Strukturen oder die Zuständigkeit des Bundes für die Schulpolitik? Für das eine spricht ihr Satz, dass eine eigenständige, selbstbewusste und ehrgeizige Bildungspolitik der Bundesländer zu wünschen sei, für das andere ihre Aussage, dass der Bildungsföderalismus mit seinen unterschiedlichen Schulsystemen so unbeliebt sei wie eine sechzehnköpfige Hydra. Was also ist gewünscht? Eine Hydra mit nur einem Kopf oder die Vielfalt, das heißt den Wettbewerb der Bundesländer?

Zuzustimmen ist der Kommentatorin bei der Schelte der Parteien, denen im Bundestagswahlkampf nichts Besseres einfällt, als sich in der Bildungspolitik zu tummeln. Die geht den Bund nach der Festlegung des Grundgesetzes nichts an. Dabei gäbe es wahrlich viel zu tun in jenen Bereichen, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen: die Lösung der Finanz- und Wirtschaftsprobleme, die Erarbeitung von Grundsätzen für den weltweiten Einsatz der Bundeswehr, die Förderung des Straßenbaus, dringende Reformen des Steuerrechts, der Subventionsvergabe, der Renten, der Sozialgesetzgebung und so weiter.

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Unwirkliche Person oder Vom Reiz des Rollenwechsels

Der regelmäßige Schreiber von Sonntag Aktuell hat (am 23.8.09) neben der Klage über die mediale Aufrüstung auch den ungewollten Wechsel der Identität zum Thema seiner Kolumne gemacht. Ich mache das – nicht ihn – zum Gegenstand des heutigen Blog-Eintrags.

Dass ein Zeitungsschreiber wie unser Kolumnist plötzlich als Schönheitschirurg angesprochen wird, mag ihn selbst verwundern, wir anderen wissen, dass der Unterschied nicht gar so groß ist. Auch der Journalismus verändert Gesichter, zum Beispiel das der Wirklichkeit: entweder wird es geschönt oder zur Fratze verzerrt.

Auch wenn es nicht immer Spaß macht, für einen anderen gehalten, also verwechselt zu werden, ist doch das Spiel mit der eigenen Rolle durchaus beliebt. Wer wollte nicht gerne mal ein anderer sein? So möchte Peter Handkes Kaspar im gleichnamigen Bühnenstück „ein solcher werden, wie einmal ein anderer gewesen ist“. Die Fastnachtskultur lebt davon, dass man die Rolle wechselt , es allerdings nicht immer schafft. Kleine Kinder sind begnadete Rollenspieler; so findet unser Enkel derzeit seine höchste Lebensfreude darin, ein ICE zu sein und mit großem Tempo durch die Gegend zu fahren, zu rennen natürlich.

In der Literatur finden wir häufig neben dem Anonymus das Pseudonym. Es soll zwar manchmal den wahren Verfasser verbergen, oft aber dem Autor eine andere, bedeutendere Identität verleihen. Das kommt sogar in der Bibel vor: Nicht alles, was als Paulusbrief bezeichnet wird, ist von Paulus verfasst; man soll das aber als Leser meinen. Und besagter Paulus – hieß er nicht einst und war er nicht vorher Saulus, eher er sich vom Christenverfolger zum christlichen Missionar verwandelte?

Als Fußnote sei ergänzt: Häckerling ist ein Pseudonym von Häcker, der sich gelegentlich auch als haecker äußert – sozusagen Rollenprosa im Internet.