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Freiwillige Nachhilfe

Nun hat sich die baden-württembergische Schulministerin doch noch einen Ruck gegeben und an der Unantastbarkeit der Sommerferien gerüttelt. Sowohl den Lernenden als auch den Lehrenden (die Partizipien sind inhaltlich zwar falsch, aber der Gendersprache geschuldet) werden in den letzten beiden Wochen der Ferien „Angebote“ gemacht. Die einen sollen Nachhilfe beim Lernen, die anderen beim Lehren bekommen. Drei Stunden Unterricht am Tag für Schülerinnen und Schüler mit „Lücken“ in Deutsch und Mathematik, aber nur für solche, die freiwillig daran teilnehmen wollen. Der Unterricht wird erteilt von Lehrkräften, die das freiwillig tun wollen und von Referendarinnen und Referendaren, die dafür – welche Gunst – den ganze September und nicht nur einen halben bezahlt würden. Das andere freiwillige Angebot, das an die Lehrerinnen und Lehrer, soll die Ungeschulten unter ihnen im Umgang mit digitalen Geräten weiterbringen. Hoffentlich nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich. Es stellt sich ja schon die Frage: Was kann an die Geräte ausgelagert werden, was nicht? Was nur eine lehrende Person vermitteln kann, soll bei dieser auch bleiben. All das, was ab 1. September stattfinden soll, ist freiwillig, die Fortbildung und der Nachhilfeunterricht. Häckerlings Mutmaßung: Es wird wohl so werden wie beim Förderunterricht. Jene, die ihn nicht nötig haben, kommen, wer ihn jedoch dringend benötigt, glänzt durch Abwesenheit. In Zeiten, da man Mund- und Nasenschutz nicht freiwillig, sondern laut Vorschrift trägt, wäre ein wenig mehr Pflicht statt Neigung in den Schulen zu verantworten. Schließlich ist auch die Schulpflichterfüllung nicht freiwillig.

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Unbewertete Hausaufgaben

Zugegeben, es ist nicht das Übliche in einem Lehreralltag. Keine Schülerinnen und auch keine Schüler vor sich zu haben, sondern sie mithilfe elektronischer Werkzeuge zu kontaktieren, das hatten wir bisher nicht. Was wir aber schon immer hatten, das waren die Hausaufgaben. Nun hat eine Debatte begonnen, ob und wenn ja wie digital verschickte Aufgaben zu bewerten seien. Angeblich wird an einer Richtlinie gearbeitet. Das ist schulrechtlich interessant. Richtlinien sind keine Verwaltungsvorschriften, sondern gute Ratschläge. Gegen sinnvollen Rat mag Häckerling nichts einwenden, aber was die Bewertung (oder Benotung) häuslicher Arbeiten angeht, bedarf es keiner Vorschriften; die haben wir längst. In der „Notenverordnung“ ist dargelegt, dass für die Benotung der Schülerleistungen der Fachlehrer oder die Fachlehrerin zuständig sind. Wie er/sie die einzelnen Arbeiten der Zöglinge gewichtet, steht ihm/ihr frei. Darüber Auskunft zu geben ist eine Pflicht, der man zu Beginn eines Schuljahrs ungefragt nachkommt. Sollten sich Änderungen ergeben, sind die ebenfalls mitzuteilen. Mehrmonatiger häuslicher Unterricht ist eine nicht ganz kleine Änderung. Also wäre von den Pädagogen eine Antwort auf die Frage zu erwarten, wie sie die elektronisch gestellten Hausaufgaben in ihre Gesamtbeurteilung einbeziehen. Die Frage, ob sie das tun sollen, stellt sich nicht, da die Notenverordnung an diesem Punkt streng ist. Alle Leistungen sind bei der Gesamtnote zu berücksichtigen. Wer eine per Papierkopie, SMS, E-Mail, Moodle oder auf andere Weise zugestellte Aufgabe nicht bearbeitet, verweigert die Leistung. Dafür ist die Note „ungenügend“ zu geben. Es sei denn, jemand kann plausibel erklären, warum er (oder sie) diese Aufgabe nicht bearbeiten konnte. In diesem Fall würde ich das Kind einbestellen und es in einem Klassenraum arbeiten lassen. Vielleicht können auch die Pädagogen der Notbetreuung diese Aufgabe übernehmen. Denn eines ist klar: Auch wenn alle versetzt werden, ein Zeugnis ist für das Schuljahr 2019/2020 trotzdem auszufertigen. Und das muss auf bewerteten Leistungen beruhen.

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Hektische Schulveränderung

Die Welt verändert sich und die Schulen verändern sich mit ihr. In ruhigeren Zeiten nannte man des „Schulentwicklung“. Kollegien setzten sich zusammen und entwarfen Konzepte für eine Weiterentwicklung der Aufgaben und Arbeitsweisen der Schule. Welche neuen Unterrichtskonzepte harren der Umsetzung, welche neuen Inhalte fehlen, welche alten sind überflüssig? Welcher Struktur bedarf es, um mit den Veränderungen der Welt in der Schule Schritt zu halten? Man probierte dieses und jenes aus. Man dachte in Schuljahren. Doch dieses gemächliche Verändern fand durch das Virus ein rasches Ende. Nicht die Änderung der materiellen Welt („Industrie 4.0“) erzwingt eine Anpassung des real existierenden Schulwesens. Nicht die Revolution der Arbeitsumwelt wälzt die Bildungswelt um, es ist ein „natürliches Wesen“, das sich aber nicht so leicht domestizieren lässt wie ein Hund oder eine Kuh. Im Umgang mit diesen Haustieren hat die Menschheit seit vielen Jahrtausenden Erfahrungen gesammelt. Bei Viren, diesen Zwittern mit dem unbändigen Überlebenswillen, versagen diese Erfahrungen. Viren kommen einfach über uns. Sie sind da, auch wenn wir sie leugnen. Sie verändern die Welt; sie verändern die Schule. Plötzlich ist die allgemeine Schulbesuchspflicht außer Kraft gesetzt, eine der größten Errungenschaften der modernen Welt. Auf einmal treffen sich keine Gruppen gleichen Jahrgangs mehr in einem Raum, sondern Einzelkinder sitzen zu Hause an „Endgeräten“. Markieren diese „Endgeräte“ das Ende der klassischen Schule? War die Schulklasse nur eine Episode der Neuzeit? Dummerweise hat uns die Pandemie auf zwei falschen Füßen erwischt. Sie offenbarte ratlosen Pädagogen ihre Defizite im Umgang mit „Fernunterricht“; sie machte sichtbar, was längst bekannt war: Die Schulen sind technisch und mehr noch didaktisch nicht im Digitalen angekommen. Kaum jemand hat geübt, was jetzt gekonnt werden muss. Das gemächliche Weiterentwickeln der Schule offenbart sich als fahrlässiges Verschleppen. Nicht, dass man mich falsch versteht: Kinder brauchen Lehrer und Mitschüler. Ohne sie kann der „Erziehungsauftrag“, von dem im Schulgesetz und in der Verfassung die Rede ist, nicht erfüllt werden. Und der „Bildungsauftrag“ auch nicht oder nur nur unzulänglich. Digitale Unterrichtung, Gruppenarbeit, Lehrervortrag, frontaler und sozial aufgelockerter Unterricht, dies und mehr muss in einem schlüssigen Konzept zusammengebunden werden. Wenn sich künftig Kollegien zusammensetzen, haben sie viel Gesprächsstoff – und wenig Zeit.