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Unterrichtsfreie Lehrzeit

Die Bund-Länder-Konferenz hat gestern stundenlang gerungen und ein paar Lockerungen auf den Weg gebracht. Man darf jetzt wieder Parfum kaufen und Bücher. Sogar die Bibliotheken dürfen wieder öffnen. Mal sehen, ob sie’s tun. Die Schulen werden noch einige Wochen geschlossen haben. Damit geht ein Feldversuch weiter, auf dessen Auswertung man gespannt sein darf. Sieben bis neun (oder gar zehn) Wochen ohne gemeinsamen Unterricht, das gab es bisher nicht einmal in den Sommerferien. Nach denen, das wissen Insider, haben viele Kinder viel vergessen, was dann mühsam wieder aktiviert werden muss. Wie werden sich die acht, neun oder zehn Wochen ausgewirkt haben? Wie unterschiedlich werden sich im Mai die Lernstände darstellen? Eine ganz besondere Herausforderung für die Lehrenden zeichnet sich ab: der Umgang mit einer noch stärkeren Heterogenität, als die bisher schon vorhandene. Denn machen wir uns nichts vor. Die Schulen wurden vom Virus in einer Phase erwischt, da die Digitalisierung allenfalls in den Anfängen steckte. Seit Wochen arbeitet man in den Lehrerzimmern oder im häuslichen Arbeitszimmer pädagogisch mit Notlösungen. Auch in der digitalen Pädagogik ist die Heterogenität groß: die Elternhäuser sind unterschiedlich gut (oder schlecht) für elektronischen Heimunterricht ausgestattet, in den Schulen sind die technischen Voraussetzungen höchst unterschiedlich und an erprobten didaktischen Modellen mangelt es. Der Schutz vor dem Virus (das Recht auf körperliche Unversehrtheit) ist das eine, das Recht auf Bildung und Ausbildung der Kinder das andere. Beides ist auszutarieren. Hier kollidieren zwei Grundrechte. Ob der gestern beschlossene Zeitrahmen dienlich ist, bezweifle ich. Was sicher ist: Die Schulen brauchen nach der Isolationsphase viel Unterrichtszeit. Warum also schlachtet man nicht die heilige Kuh Ferien. In BW stehen Pfingst-, Sommer und Herbstferien an. An allen könnte man kürzen. Es gibt kein Grundrecht auf eine bestimmte Feriendauer, aber einen Konsens der KMK hinsichtlich der Zahl der Unterrichtstage.

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Schulisches Durcheinander

Das wird schwierig. Gestern konnte man in den Nachrichten hören, dass in Rheinland-Pfalz die mündlichen Prüfungen zum Abitur 2020 erfolgreich abgeschlossen worden seien. Am gleichen Tag verkündet Schleswig-Holstein, in diesem Schuljahr auf die Abiturprüfung zu verzichten. Der Deutsche Philologenverband schließt sich der Forderung an, das Abitur notfalls auch ohne eine Prüfung zu vergeben und das Ergebnis aus den vorhandenen Leistungsnachweisen zu errechnen. Sollte das alles so werden, beginnen im Herbst junge Menschen mit unterschiedlich zustande gekommenen Reifezeugnissen ihr Studium. Das gibt Arbeit für die Anwälte, denn wer keinen Studienplatz ergattert, wird sich auf den Klageweg begeben und geltend machen, dass er/sie unter anderen Bedingungen ein besseres Ergebnis erzielt und damit einen Studienplatz bekommen hätte. Was tun? Entweder müssen die Abschlüsse unter vergleichbaren Bedingungen entstehen oder die Kultusministerkonferenz setzt sich über ihre eigenen Beschlüsse hinweg und lässt die verschiedenen Reifeprüfungsergebnisse ausnahmsweise zu. Ob das allerdings von den Verwaltungsgerichten akzeptiert wird, kann niemand wissen. Die andere Möglichkeit wäre, den letzten Termin für den Abschluss des Abiturs 2020 zu verschieben, etwa auf den 30. September. Dann müssten sich allerdings auch die Hochschulen bewegen und ihre Anmeldefristen flexibel handhaben. Ob die das können oder auch nur wollen, steht ebenfalls in den Sternen. Weniger problematisch ist der normale Schuljahresabschluss. Das Einfachste wäre es, alle Schülerinnen und Schüler zu versetzen. Wenn die Lehrerinnen und Lehrer es nicht schaffen, die vorgeschriebenen Leistungsnachweise (Klassenarbeiten, GFS, mündliche Bewertungen) einzufordern, kann die Schulleitung (oder auch das Schulamt) die Zahl der in der Notenverordnung genannten Arbeiten reduzieren. Ein Eingreifen des Ministeriums ist für diesen Dispens nicht erforderlich. Aber vielleicht fühlen sich die Schulen besser, wenn eine solche „Befreiung“ von höchster Stelle ausgesprochen wird.

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Fehlende Schulzeit

Die Schulkinder haben virusbedingt frei. Dies Ferien zu nennen wäre nicht korrekt. Genau genommen ist es eine Art Hausunterricht. Den bekommen längerfristig kranke Kinder zum Beispiel im Krankenhaus. Allerdings werden dafür Lehrkräfte stundenweise abgeordnet. Derzeit ist die Lage anders. Die Lehrerinnen und Lehrer sind von ihren Schülern räumlich getrennt, aber sie geben ihnen trotzdem Aufgaben, die zu bearbeiten sind. Die Kinder können sich digital Rat bei ihren Lehrern holen. Leider hat das Schulgesetz diesen Fall nicht geregelt. Offenbar hat niemand mit einer solchen Situation gerechnet. Bisher ist Unterricht allenfalls wegen Hitze oder Stürmen ausgefallen. Dabei handelte es sich aber nur um einzelne Unterrichtsstunden oder Tage. Jetzt zieht sich die schulfreie Zeit in die Länge. Dass die häusliche Schularbeit der Lernenden quantitativ oder qualitativ dem regulären Unterricht entspricht, wird niemand behaupten. Im Gegenteil, man wird nach der Corona-Zeit lange brauchen, um die Schüler wieder in etwa auf den gleichen Stand zu bringen. Manche werden viel getan haben, manche wenig. Was tun? Man wird differenzieren müssen. Vielleicht können auch die in ihren Kenntnissen und Kompetenzen Fortgeschrittenen jenen helfen, die zu wenig getan haben. Häckerling ist unbedingt dafür, den Unterricht nach dem 19. April wieder aufzunehmen. Warum nicht nach dem Nachkriegsmodell des Schichtunterrichts? Man könnte zur Kontaktverminderung jeweils nur die halbe Klasse einbestellen und am nächsten Tag die andere Hälfte. Die zeitliche Lage der Stunden müsste variabel werden, damit sich nicht zu viele gleichzeitig in den Fluren aufhalten. Noch eins: Muss man an der heiligen Kuh der sechswöchigen Sommerferien festhalten? Wenigstens die letzte Ferienwoche könnte gestrichen werden. Wer da Urlaub geplant hat, muss ihn umplanen. Das wäre ein kleines Opfer für ein großen Zweck: die Schulbildung.