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Kurz oder lang

Ein Jahr ist lang. In den letzten zwölf Monaten hat Deutschland eine andere Regierung bekommen und eine weitere Finanzkrise, die des Euro. Wir erlebten einen langen, kalten Winter und eine gescheiterte Klimakonferenz. Ascheteilchen aus einem Vulkan legten den Flugverkehr lahm und Management-Fehler die Berliner S-Bahn. Wir diskutierten über einen Krieg, den in Afghanistan, und über Googles Straßenblick (street view). Es gab Literatur von einer ganz Jungen, Helene Hegemann, und einem Uralten, Martin Walser. Wir erlebten den Fehltritt von Frau Käßmann und den Niedergang der Popularität des „deutschen Papstes“. Wir erfuhren von dunklen Kapiteln der Pädagogik und sinnierten über das „Schweigen der Männer“ (von Hentigs zum Beispiel) nach.

Ein Jahr ist lang, wenn man es an den Ereignissen misst. Schon Hebel, der literarische Jubilar dieser Tage, hat in seiner Geschichte vom Bergwerk in Falun das Vergehen der Zeit auf diese Weise anschaulich gemacht.

Aber ein Jahr ist auch kurz. Es ist erst ein Jahr vergangen, dass im Blog Häckerling das erste leere Strohhälmchen aufgehoben und noch einmal gedroschen wurde. Am 11. Mai hat sich der nur notdürftig kaschierte Verfasser mit den fehlenden Protokollen des Landkreises Böblingen beschäftigt. Die gibt es inzwischen. Es gab sogar ein Telefongespräch zwischen dem Blog-Schreiber und einem Sachbearbeiter des Landratsamts.

Inzwischen hat sich der (oder auch das) Blog mit 180 Einträgen, etlichen Hunderten von Kommentaren und kaum weniger Spams gefüllt. Letztere wurden gelöscht, Erstere zu einer Freude für den Schreiber. Er denkt an seine treuen Leser in fern (Singapur, Berlin und anderwo) und nah (Sindelfingen, Magstadt, Ditzingen und anderswo), in Ministerien, Seminaren und Schulen, in Rathäusern und Altersheimen, und er dankt den Kommentatoren aus Stuttgart, Karlsruhe und Schwäbisch Gmünd und anderswo. Er wünscht allen, die gelegentlich einen Blick in den Blog werfen, ohne etwas einzuwerfen, alles Gute. Wie lange oder wie kurz es ihn, den Blog, noch geben wird, das wird sich ergeben.

(Blog-Eintrag Nr. 180)

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Abzug oder Nachtermin

Die Regeln des baden-württembergischen Abiturs sind streng. Wenn der Verdacht auf vorherige Verbreitung von Aufgaben besteht, werden diese storniert und durch andere, bereits bereitliegende ersetzt. So geschehen in diesem Jahr in den Fächern Geschichte und Gemeinschaftskunde. Heute (am 7.5.10) steht in der Zeitung, dass es in einem privaten Stuttgarter Gymnasium zu einer unerlaubten Unterstützung beim Abitur in Mathematik gekommen sei. Die Schülerinnen haben einen Hinweis bekommen, der als Vorteil gegenüber den übrigen Abiturienten im Land gedeutet werden konnte. Vor die Alternative gestellt: Wollt ihr noch einmal schreiben oder lieber drei Punkte Abzug?, haben sie sich fürs Nachschreiben entschieden. Das ist nachzuvollziehen.

Für die Schule ist die Geschichte peinlich. Sie hätte das anders lösen können. Denn es gibt die Möglichkeit, beim Korrigieren in Rechnung zu stellen, dass (zum Beispiel) ein Aufgabenteil nicht gelöst werden konnte, weil man sich (mit Wissen der Schulleitung) als Fachschaft geeinigt hatte, auf diesen Lehrinhalt zugunsten eines anderen zu verzichten. Dies hätte man den Zweit- und Drittkorrektoren schriftlich mitteilen können und die hätten das wahrscheinlich akzeptiert. Derlei ist in der Vergangenheit immer wieder geschehen.

Das Problem liegt tiefer und berührt die Grundidee des neuen Bildungsplans von 2004. Der verlangt die Vermittlung von Kompetenzen, also von Fertigkeiten, und ordnet die Inhalte dieser Zielsetzung unter. Wenn es das Ziel ist, dass die Schüler durch den Unterricht in die Lage versetzt werden sollen, dieses oder jenes zu können, ist es zweitrangig, an welchem Inhalt sie diese Kompetenz einüben. Aufs Fach Deutsch bezogen hieße das etwa: Die Abiturienten sollen moderne Gedichte interpretieren können. Ob sie das an Eich oder Huchel oder Domin üben, wäre Sache der Lehrer. Oder: Der Unterricht soll die Schüler dazu befähigen, die Grundideen der Aufklärung darzulegen. Das können sie an Kant oder Voltaire, an Lessing oder Wieland einüben. Im Fach Mathematik gibt es sicher ähnliche Beispiele.

Wie man das Zentralabitur vor diesem Hintergrund künftig gestalten muss, bedarf einer gründlichen Diskussion. Die seit Jahrzehnten im Lande so beliebten „Sternchenthemen“ und ihre inhaltlichen Vorgaben sind nicht mehr zeitgemäß.

(Blog-Eintrag Nr. 179)

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Schule so oder anders

Auch wenn es angesichts üppiger Übergangszahlen als weltfremd vorkommen mag – die Gymnasien werden bald wieder um Schüler kämpfen müssen. Die Zahl der Kinder geht deutlich zurück und daher werden die aus den 1980er Jahren sattsam bekannten Verteilungskämpfe wieder an Wucht zunehmen. Damals waren Schulschließungen nicht im Blick, man hatte genug Geld, auch geschrumpfte Anstalten durchzufüttern. Das kann in einigen Jahren anders werden, denn an der Armut der Kommunen dürfte sich bis auf Weiteres wenig ändern. Im Augenblick steht die Schließung von Hauptschulen an. Sie wird begründet mit der deutlich sinkenden Zahl der Schüler. Nach den Hauptschulen wird man über die Schließung von Grundschulen nachdenken und dann sind die Gymnasien dran.

Welches der vier Gymnasien in Sindelfingen könnte „auf den Prüfstand“ kommen? Das Gymnasium in den Pfarrwiesen mit der traditionell niedrigsten Schülerzahl? Eher nicht. Denn man wird dem Sindelfinger Norden nach der Realschule Eschenried, die in die Innenstadt verlegt wird, nicht auch noch das Gymnasium wegnehmen können. Also wird der Blick auf das Goldberg-Gymnasium (GGS) fallen, das Böblingen und Sindelfingen gemeinsam betreiben.

Das GGS versteht sich als erfolgreiche, gute Schule. In den vergangenen Jahren glaubten das auch die Eltern und meldeten ihre Kinder zuhauf an. Das hat sich inzwischen geändert. Die Anmeldungszahlen sind in den letzten beiden Jahren signifikant zurückgegangen, vor allem im Vergleich zum Gymnasium Unterrieden oder dem Stiftsgymnasium. Offenbar ahnen die Eltern in diesem ältesten Gymnasium der Region allerlei Defizite.

Wenn der Goldberg überleben will, muss er sich sehr anstrengen. Man müsste die Schule gründlich unter die Lupe nehmen – zu evaluieren. Herauszufinden wäre, wo die Schwächen liegen. Ist der Unterricht zu frontal und lehrerlastig und zu wenig schülerbezogen, zu wenig differenziert oder nicht genügend effizient? Hat man die schwächeren und die leistungsstarken Schüler zu wenig im Blick? Ist das Angebot (das Profil) von gestern, das Haus marode, die Betreuung der Kinder zu dürftig? Strahlen die Lehrer und die Leitung zu wenig Begeisterung aus? Hat man sich im Jetzt zu sehr eingerichtet und den Blick nicht entschieden genug auf die Zukunft gerichtet?

Warum im Blog Häckerling diese Fragen gestellt werden? Weil dessen Schreiber das Goldberg-Gymnasium 16 Jahre geleitet hat und ihm daher die Zukunft dieser Schule nicht gleichgültig ist.

(Blog-Eintrag Nr. 178)