Kategorien
Politik

Über Sonntag Aktuell

Es ist die siebte Ausgabe der Tageszeitung, die (der?) „Sonntag Aktuell“, und sie, die Zeitung, hat eine neue Einkleidung erhalten. Weiß auf Rot prangt der Titel oben, darunter steht das Wichtigste: „Endlich was tun: Besser Hören“ – ach, das ist Werbung, daher die vielen Fehler. Dann: „Ein Liebesbrief zum Valentinstag? Der Ghostwriter hilft aus.“ Daneben steht was von einer Frau, die dem Staat zuliebe auf dem Campingplatz lebt, dann folgen die Bundesliga-Ergebnisse (Stuttgarts Niederlage ist fett gedruckt, die von Hoffenheim nur normal) und schließlich der Hinweis (Seitenangabe in roter Farbe) auf einen Artikel über das „Fegefeuer“ von Reiseleitern. Warum ist das Blatt so rot geworden? Und warum beginnt und endet die Titelseite mit Werbung?

Es gibt hübsche Überschriften in der Ausgabe vom 14.2.10: „Streusalz in die Wunden“ – eine Anspielung auf die Wendung „Salz in die Wunden streuen“ (= Schmerz bereiten). Ich soll denken, dass die Beschaffung von Streusalz den armen Städten und Gemeinden wehtut. Auf Seite 2 steht unter der Überschrift „Zwei Flaschen Barroso“ die übliche Satire auf Oettinger und daneben wirbt man mit der tiefsinnigen Schlagzeile „Vollmacht gegen das Vergessen“ für die Patientenverfügung. Das ist verdienstvoll.

Über einem Bericht auf Seite 3 lese ich: „Letzter Ausweg Nachhilfe“. Das erinnert an den furchtbaren Roman „Last Exit Brooklyn“. Aber ist nicht auch die Tatsache furchtbar, dass hierzulande pro Jahr 131 Euro pro Kind für Nachhilfe ausgegeben werden? Der Kultusminister sieht das als unnötig an, eine Professorin aus Schwäbisch Gmünd hingegen als Folge unzureichenden, weil zu wenig individuellen Unterrichts. Häckerling ist geneigt, Letzterer recht zu geben.

(Blog-Eintrag Nr. 148)

Kategorien
Politik

Über Oettinger

Auch wenn Häckerling als Kritikaster im Glashaus sitzt und daher nicht mit Steinen auf andere werfen sollte, findet er doch, dass man mit den Politikern erbarmungslos umgeht. Seine politische Nähe zum neuen EU-Kommissar ist gering. Aber was man mit ihm seiner Englisch-Kenntnisse wegen angestellt hat, ist grenzwertig. Nun hat DIE ZEIT in ihrem neuen Heft festgestellt, dass der Text, den Oettinger vorgetragen hat, sprachlich durchaus im Bereich des Korrekten liegt. Gemangelt hat es an der Aussprache. Muss ein Ministerpräsident von Baden-Württemberg da fit sein. Es ist gut, wenn er es ist, aber es nachvollziehbar, warum er es nicht ist.

Die Schulzeit des Herrn O. liegt lange zurück. Dass er keine Meister der Aussprache ist, merkt man auch an seinen deutschen Sätzen. Dass er am th (ti-eitsch) strauchelt, eint ihn mit vielen anderen Landeskindern. Nun will er nachlernen. Das ist gut so. Aber sein Image ist kaputt, denn die Logik lautet: Wer englische Wörter falsch ausspricht, macht auch Fehler in der Energie-Politik. Wirklich?

Was jetzt mit Oettinger gemacht wurde, betreibt man seit Wochen mit Westerwelle, Brüderle und Niebel. Sie liefern reichlich Material fürs Kabarett. Man wirft W. vor, dass er angespannt ist bei seinen Antrittsbesuchen in den Hauptstädten der Welt. Wer wäre das nicht, zumal wenn er weiß, dass jedes Wort, jede Geste zu einem globalen Aufschrei führen kann. Der kleinste Fehler ist der Beweis: Der kann es nicht. Ist das wirklich so?

Dass B. spricht, wie er spricht, beweist für die Medien: Er spricht schlecht, also ist auch seine Wirtschaftspolitik schlecht. Dass N. auch im neuen Amt forsch auftritt und auch noch seine alte Mütze trägt, das beweist für die Meinungsmacher, dass er für das Amt des Entwicklungsministers ungeeignet ist. Ist das wirklich stringent?

Man könnte mit Frau Köhler, der jungen Ministerin, weitermachen. Sie kann es nicht können, weil sie noch so jung ist. Wirklich?

Es gab mal eine Zeit, da hat man auch Politikern eine Chance gegeben, zum Beispiel eine Frist von 100 Tagen. Aber der journalistische Markt ist hart umkämpft und braucht sein tägliches Futter. Im Augenblick geht es nicht mehr um Niebels Mütze, sondern um die völlig gescheiterte Sozialgesetzgebung der Regierung Schröder. Ist sie das wirklich?

(Blog-Eintrag Nr. 147)

Kategorien
Politik

Über Stifter

Damit kein Missverständnis aufkommt: Es geht hier nicht um Geldgeber, sondern um den Schriftsteller Adalbert Stifter und vor allem um dessen späten Roman „Der Nachsommer“. Das Werk ist schon über 150 Jahre alt und noch immer für eine literarische Kontroverse gut. Bereits Stifters Zeitgenossen fanden ihn überwiegend langweilig. Friedrich Hebbel goss seinen Spott darüber aus. Und Thomas Bernhard lässt in „Alte Meister“ Hasstiraden gegen Stifter sprechen. Der Misserfolg machte dem Autor offenbar ziemlich zu schaffen. Doch heute sehen manche deutlicher das Schöne dieses Buches.

Der Roman braucht besondere Leseumstände. Er verlangt Zeit und Ruhe. Jede Hast ist ihm fremd. Auch der Verfasser dieses Blogs fand die erst, als sich sein Leben krankheitsbedingt verlangsamte. Er hat den „Nachsommer“ während einer Reha-Phase gelesen, in kleineren Abschnitten, aber mit einer unerklärlichen, wachsenden inneren Anteilnahme. Dabei passiert eigentlich so gut wie gar nichts, doch: am Ende wird geheiratet, aber das ist eigentlich gar nicht so wichtig. Was aber ist es dann?

Dieser Frage geht Arnold Stadler in seinem 2005 veröffentlichten, 2009 als Taschenbuch erschienenen Büchlein „Mein Stifter“ nach. Ist es Zufall, dass Stadlers Initialen mit denen von Stifter übereinstimmen? Dass er, der südbadische Autor aus katholischem Milieu, der Büchner-Preisträger von 1999, sich mit dem Österreicher beschäftigt, ist sicher kein Zufall. Stadler findet bei Stifter vieles wieder, was auch ihn beschäftigt. Er legt uns dar, in welchem Wust von Problemen Stifter steckte: finanziellen (er gab zu viel Geld aus), psychischen (er hatte die Fresssucht und dergleichen Störungen mehr) und emotionalen (das missliche Verhältnis zu „seinen“ Frauen). Und er weist auf Stifters Selbsttötung (1868) hin. Ein lesenswertes Buch für „Nachsommer“-Freunde, auch wenn es in seiner Machart weit weg ist vom germanistischen Arbeitsethos.

Für Stadler ist „Der Nachsommer“ eine Art Utopie, eine Gegenwelt zur bedrohten Stifter’schen Alltagswelt. Im Roman gelingt, was dem Autor misslingt. Dort schafft er eine beruhigende Ordnung, während sein eigenes Leben oft ins Chaotische versinkt. Doch trotz seiner wunderbaren Sprache, den detailliert beschriebenen herrlichen Landschaften, den klug, gut und sinnvoll geschäftig gezeichneten Menschen hat das Werk etwas Wehmütiges, meint Häckerling.

(Blog-Eintrag Nr. 146)