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Über Steuersünder

Darf der Staat Geschäfte mit Dieben machen? Ein Erörterungsthema, nicht nur für einen Aufsatz in der Oberstufe. Die ganze Republik kann darüber diskutieren. Sie tut es auch, und zwar heftig. Fast alle Meinungen liegen bereits auf dem Tisch. Hier ist die von Häckerling:

Zu den klugen Sätzen, die der Verfasser schon in seiner Kindheit hören durfte, gehört der: „Mit de Lomba fangt mr d’Lomba.“ Das bedeutet auf Hochdeutsch: „Wer Ganoven das Handwerk legen will, muss zu Mitteln greifen, die außerhalb des rechtsstaatlichen Repertoires liegen. Jesuitisch gesagt: Der Zweck heiligt die Mittel. Und wenn der Zweck darin besteht, Menschen, die ihr Geld nicht, wie es sich gehört, in ihrem Heimatland versteuern, dazu zu bringen, dass sie genau dies tun, dann wäre dafür jedes Mittel recht.

Die Steuersünder haben dem deutschen Staat ein Schnippchen geschlagen und so ein größeres Schnäppchen gemacht, nämlich die Kapitalertragssteuer behalten. Sie dürften sich ins Fäustchen gelacht haben, als ihnen das gelungen war. Darüber wiederum können sich alle ärgern, denen ein solcher Coup nicht gelungen ist oder die sich in ihrer Naivität vom Staat das Geld haben abknöpfen lassen. Der Schreiber dieser Zeilen ärgert sich auch. Der Ehrliche, Naive, Brave ist halt der Dumme. Das schmerzt.

Aber was hat Häckerling für eine Meinung? Er kann sich für keine entscheiden. Die großelterliche Sentenz von den Lumpen, mit denen man die Lumpen fängt, wirkt nach, aber auch die Sorge, dass der Ankauf von Diebesgut eines Rechtsstaats nicht würdig ist.

Aber ob mir die Alternative (sehr viel strengere Kontrollen über die Geldflüsse) mehr behagen würde? Häckerling will nicht in den Lobgesang des „starken Staates“ einstimmen. Denn der starke Staat schafft schwache Bürger. Da ist es fast besser, er ist nicht ganz so stark und kann betrogen werden. Auch für Steuersünder gilt hoffentlich: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“ Oder: „Die Sonne bringt es an den Tag.“ Einer CD mit geklauten Daten kann ich nicht viel Sonniges abgewinnen.

(Blog-Eintrag Nr. 145)

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Über eine Bildungsoffensive 3

Die bildungspolitische Qualitätsoffensive Baden-Württembergs ist unter heftigen Beschuss geraten. Das ist bei Offensiven gern so. Darauf muss man gefasst sein. Bei diesem Bombardement wagt auch Häckerling einen kleinen Schuss: den Hinweis nämlich, dass weder Schiller noch Einstein Baden-Württemberger sind, wie es das Faltblatt „Für unsere Kinder“ reichlich locker behauptet. Zur Zeit von Schillers Geburt gab es nur ein Ländle namens Württemberg. Dort, in Marbach, hat der Dichter das Licht der Welt erblickt. Das Land war etwas größer, als Einstein zur Welt kam, aber die Allianz mit Baden lag auch da noch in weiter Ferne. Aber sei’s drum.

Die weitaus heftigere Kanonade erfährt die Offensive durch die Opposition und auch innerhalb der Koalition. Wie kann man, so der Vorwurf, zweieinhalb Millionen Euro für „Werbung“ ausgeben, wenn an den Schulen in großem Stil Unterricht ausfällt, wenn offenbar das Geld fehlt, Vertretungslehrer zu bezahlen und Schüler kurz vor dem Abitur in Prüfungsfächern keinen Unterricht haben? Wie nützlich hätte man das „Informationsgeld“ ausgeben können.

Warum gibt sich das Kultusministerium eine solche Blöße oder – militärisch ausgedrückt- eine solche offene Flanke? Es war doch damit zu rechnen, dass sich alle auf das Thema einschießen würden. Da hätte man doch vorsorgen und mögliche Angriffspunkte absichern müssen.

Aber das lässt sich ja ändern. Man muss im Stuttgarter Hauptquartier noch ein bisschen nachrüsten.

(Blog-Eintrag Nr. 144)

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Über eine Bildungsoffensive 2

Die Qualitätsoffensive des baden-württembergischen Kultusministeriums gebar als Erstes eine vierseitige Beilage in der Zeitung. Auf der Titelseite ist zu lesen: „Für unsere Kinder. Unsere Ideen für eine bessre Bildung.“ Hier konnte sich die beauftragte Berliner Werbeagentur schon mal so richtig austoben. Sie scheut auch vor nichts zurück. So behauptet sie auf Seite 3, dass Friedrich Schiller gesagt habe „Früh übt sich, was ein Meister werden will.“ Das hat nicht Schiller gesagt; das lässt der Dramendichter Schiller die Figur Wilhelm Tell sagen, und zwar über die ersten Erfolge seines Sohnes im Gebrauch der Armbrust. Tells Frau Hedwig ist ob dieses martialischen Lernerfolgs überhaupt nicht begeistert. Und Häckerling ist angesichts dieses Missgriffs der Werbeleute (oder des KM?) amüsiert.

Auf Seite 2 der Beilage steht unter der großen Überschrift „Mehr Platz“ der hochbrisante Satz: „Kleinere Klassen und mehr Lehrerinnen und Lehrer bedeuten: individuellere Förderung für unsere Kinder“. Wenn das so einfach wäre.

Es gibt ja im Land schon viele Klassen, die kleiner sind als 33, und auch solche mit der angestrebten „Sollstärke“ von 28. Aber wird in solchen Klassen individueller gefördert, nur weil es ein paar Kinder weniger sind, die man zu unterrichten hat? Individuelle Förderung in der Schule heißt ja nicht bloß, dass die Lehrkraft dem Einzelnen ein bisschen mehr Zuwendung gewähren könnte und dass es möglich ist, unbeachtete Schüler häufiger „aufzurufen“. Individuelle Förderung bedeutet: Jeder Junge, jedes Mädchen bekommt die ihm/ihr gemäße Lernumgebung, jedes Kind wird mit solchen Aufgaben bedacht, die seiner Leistungsfähigkeit entsprechen, jeder Jugendliche darf mitreden, wenn es um die Gestaltung seiner eigenen Lernprozesse geht. Das setzt eine gründliche Diagnose des Lernstands voraus. Und es verlangt sorgfältige Planungen der Arbeitsaufträge.

Diese Art „individueller Förderung“ können die Lehrerinnen und Lehrer nur dann erbringen, wenn sie darin geschult worden sind. Aber sind sie das? Ich bezweifle das.

(Blog-Eintrag Nr. 143)