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Über Katastrophen

Katastrophen bleiben der Menschheit nicht erspart. Immer wieder geschieht eine, die das Maß des „Normalen“ sprengt und sich daher dem kollektiven Gedächtnis einprägt. Darauf muss auch die Schule reagieren, vor allem in den Fächern Religion, Ethik, Gemeinschaftskunde und Deutsch. Ansätze gibt es genug.

Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird von einer Katastrophe berichtet: der Sintflut, einer Überschwemmung besonderen Ausmaßes. Sie wird, dem Denken der damaligen Zeit gemäß, als von Gott nicht nur gewollt, sondern auch ausgelöst gedeutet und mit der „Schlechtigkeit der Menschen“ begründet. Der „Herr“ vernichtet das Böse, genauer: er ersäuft alle Menschen, deren Tun (von den Autoren der Bibel) als moralisch minderwertig angesehen wird. Ob man ihn mit dieser Interpretation richtig versteht, dürfen wir, also auch die Schüler von heute, mit Fug bezweifeln.

1755 war das Erdbeben von Lissabon, vermutlich verbunden mit einem Tsunami. Zwischen dreißigtausend und hunderttausend Menschen sollen dabei umgekommen sein. Voltaire nahm das Ereignis zum Anlass, über die beliebte Theorie von der „Besten aller Welten“ (Leibniz) zu spotten. In der religiösen Diskussion wurde die Theodizee-Frage akut: Wie kann Gott so etwas Furchtbares zulassen?

Diese Frage wird man auch jetzt wieder hören. Das Haiti-Erdbeben scheint in seiner Gewalt, seiner Zerstörungs- und Tötungskraft und deren Folgen, ungeheure Ausmaße zu haben. Aber bevor man Gott deswegen attackiert ist zu fragen: Wer hat dieses Land schon vor dem Erdbeben zerstört, politisch und technisch? Jeder konnte offenbar wissen, welche Kräfte sich in dieser Gegend im Erdinnern zusammenballen. Man musste es und tat offenbar nichts. Warum nicht?

Vielleicht sollten die Deutschlehrer wieder einmal über die nächste Lektüre in ihrem Unterricht nachdenken. Da gibt es zum Beispiel zwei Texte von Heinrich von Kleist: „Das Erdbeben in Chili“ und „Die Verlobung in Santo Domingo“. Mit ihnen ließe sich das Lesen klassischer Literatur mit Ereignissen der Gegenwart verbinden. Kleist selbst greift in der „Verlobung“ aktuelle politische Ereignisse seiner Zeit auf.
(Blog-Eintrag Nr. 135)

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Über Argumente

Klar ist, dass Sindelfingen sparen muss, klar ist auch, dass der Oberbürgermeister darüber reden sollte. Da bietet sich der Neujahrsempfang an; hier sind klärende Worte gefragt. Die sehen dann so aus wie die Überschrift in der Sindelfinger Zeitung: „Nicht hinter Argumenten verschanzen“. (11.1.10) Gemeint sind mit diesem Zitat zum Beispiel jene, die sich mit rechtlichen Mitteln gegen die Schließung der Hauptschule im Klostergarten wehren.

„Nicht hinter Argumenten verschanzen“: Ein solcher Satz verstört. Sollte es im politischen Geschäft nicht immer um Argumente gehen? Stadtverwaltung und Gemeinderat tun auch nichts anderes als argumentieren. Es kann ja sein, dass sie der Überzeugung sind, gute Argumente für ihre Entscheidung zu haben. Jedenfalls wollen sie keinen Fußbreit zurückweichen und ihre Entscheidung durchziehen. In der Sprache des Stadtoberhaupts: Auch sie „verschanzen“ sich. Nur würde der Oberbürgermeister es so nicht nennen. Die Verschanzer, das sind die anderen, zum Beispiel die Schließungsgegner. Sie sind mit ihren „noch so guten Argumenten“ im Unrecht. Warum eigentlich? Weil sie nicht bereit sind, die ihnen zugedachte Rolle als Finanzopfer demütig anzunehmen?

Recht hat der Neujahrsredner mit der Feststellung, dass wir so „keinen Schritt vorankommen“. In der Tat: Gegner, die sich „verschanzen“, richten sich auf eine längere Belagerung ein und warten, dass der andere die weiße Fahne schwenkt. Vielleicht wäre es besser, die Schanzen zu schleifen und sich aufeinander zuzubewegen.

(Blog-Eintrag Nr. 134)

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Über den Schneefall

Und wieder einmal gibt es einen Grund, über das Wetter zu reden: Es schneit und sogar nicht nur da, wo man es gerne hätte, in den Wintersportgebieten. Nein, es schneit im Flachland. Es schneit auf Straßen und Schienen und der Schnee bleibt einfach liegen. Er hat den ihm zugewiesenen Bereich verlassen und macht sich allenthalben störend breit. Er führt zu Behinderungen.

Diese Erkenntnis ist ein wenig verwirrend; denn Schnee und Kälte sind in Mitteleuropa durchaus üblich. Sie gehören zum Klima. Seit sich der Blogschreiber erinnern kann, hat es immer mal wieder geschneit; und kalt war es auch. Sogar an beides zusammen kann sich Häckerling erinnern. Wenn früher ein paar Flocken mehr vom Himmel kamen als üblich, blieben die Autos am Straßenrand stehen und man fuhr mit der Straßenbahn oder dem Bus. Und wenn die nicht konnten, ging man zu Fuß oder blieb zu Hause. Das geschah zwar selten, aber es war irgendwie normal, denn es gehörte zu den voraussehbaren Ereignissen eines Winters.

Seit wir über den Klimawandel und seine Folgen reden, wird jedes Wetter zum großen Thema, auch der winterliche Schneefall. Rundfunk und Fernsehen stilisieren ihn zum Medienereignis hoch. Reporter werden in eine beschneite Landschaft gestellt, an eine weiß gewordene Straße oder an einen Platz mit einer Landebahn im Hintergrund. Sie teilen uns mit, dass sich zwar die Kinder freuten, aber die Erwachsenen nicht zur Arbeit kämen, die Bahn Verspätung habe und Flüge ausfielen. Fünf bis zehn Zentimeter bringen die Zivilisation zum Erlahmen und mehr als zehn Zentimeter zum Erliegen. Es fällt das Wort „Katastrophe“; weil das Streugut ausgeht und Schienen (oder sind es die Weichen?) einfrieren. Eine Gesellschaft am Rande ihrer technischen Möglichkeiten. Dabei ist diese Art von Wetter vor allem für die eine Katastrophe, die ganz real am Rande leben, am Rande der Gesellschaft: für die Obdachlosen.

(Blog-Eintrag Nr. 133)