Kategorien
Politik

Undurchsichtig – Kritik an Bildungspolitik

Wieder einmal werden wir Zeitungsleser von den Stuttgarter Nachrichten dazu aufgefordert, Stellung zu nehmen. In der Ausgabe vom 17.10.09) steht, wir sollten uns äußern zu einer Meinungsäußerung zweier regionaler Wirtschaftsgrößen, dem Chef des DGB und dem der IHK. Sie haben „in einem gemeinsamen Interview“ ein paar starke Sätze zur baden-württembergischen Bildungspolitik gesprochen. Leider ist das Interview weder in der genannten Zeitung abgedruckt noch sonst irgendwo zu finden. So müssen wir uns mit der wirren Zusammenfassung auf Seite 1 des Blattes begnügen.

„Es gebe im Schulsystem keinen Wettbewerb der Ideen und keine Anreize für gute Lehrer“, heißt es da. Zwei Aussagen: kein Ideenwettbewerb und kein Belohnungssystem – bei den Banken würde man „Boni“ sagen. Welche Art von Ideen er meint, sagt der IHK-Geschäftsführer nicht. Und welche Belohnungen man sich bei der Gewerkschaft vorstellt, bleibt auch im Dunkeln. Geld vermutlich. Und der DGB hilft bei der Erstellung eines Katalogs von Kriterien für „gute Lehrer“?

Noch unklarer ist diese Aussage: „Dieses System produziert aus sich heraus zu wenig Qualität. Umso mehr muss man sich fragen, warum die Politik da nicht mal richtig rangeht.“ Welche Qualität ist gemeint und was bedeutet die Wendung „aus sich heraus“? Steht Baden-Württemberg bei PISA wirklich so schlecht da? Geht es um die Probleme bei der Integration von Migranten, die Abschaffung der Sonderschulen oder um die Förderung von Hochbegabten? Qualität wollen wir alle, aber wir sollten sagen, was wir darunter verstehen.

Mit der flapsigen Bemerkung, die Politik solle „mal richtig“ rangehen, erreicht der Bericht die Talsohle. „Offensichtlich“, heißt es dann, sei „die Bildung ein Problemfeld des Landes“. Dem kann man nur zustimmen. Auch DGB und IHK kommen auf diesem Feld „offensichtlich“ ins Stolpern. Was wollten uns die Herren Richter (IHK) und Hofmann (DGB) eigentlich sagen?

Kategorien
Politik

Unbetreut – Schule in den Ferien

In einem zwar gut lesbaren, aber weitgehend im Unklaren stochernden Bericht der Stuttgarter Zeitung (vom 15.10.09) wird das Ergebnis des Gemeindetags in Wiesloch zusammengefasst. Im Zentrum stehen die Aussagen des Ministerpräsidenten. Die Schlagzeile lautet: „Oettinger bietet Kommunen Pakt an“. Der Leser erfährt, dass in der Frage des Finanzbedarfs „für die flächendeckende Einführung des Orientierungsplans in Kindergärten“ zwischen der Kostenschätzung der Gemeinden (650 Mio. Euro) und der des Regierungschefs (unter 200 Mio. Euro) eine Differenz von über 450 Mio. Euro bestehe. In der Politik nennt man solche Zahlenverwirrspiele „Poker“, ist zu lesen. Der geneigte Bürger fragt sich eher, ob hier mathematische Analphabeten am Werk sind.

Im vorletzten Abschnitt wird die Forderung des Gemeindetagspräsidenten referiert, dass Bürgermeister für eine „dritte Amtszeit“ einen „Zuschlag“ bekommen sollten, weil sie damit dem Land Geld sparten. Noch billiger fürs Land wäre es, wenn man bei der ersten und zweiten Amtszeit einen „Abschlag“ erhöbe.

Am Schluss des Artikels heißt es, dass Oettinger am Schluss seiner Rede den Bürgermeistern ins „Stammbuch“ geschrieben habe, sie sollten dafür sorgen, dass „künftig in den Schulen auch in den Sommerferien eine Betreuung organisiert werde.“ Wozu, zur Entlastung der Familien? Was heißt „betreuen“? Sollen die Kinder auch in den Ferien in die Schule, dort aber keine Schule haben, sondern unter Aufsicht spielen? Soll das Schulhaus in den Ferien eine Art Sommercamp oder Waldheim werden? Wann findet dann der obligate Großputz statt? Und wann wird Defektes repariert? Wer soll die Kinder betreuen? Lehrerinnen und Lehrer, ehrenamtliche Mitglieder des Sportvereins oder des CVJM? Woher sollen die Kommunen das Geld für das Betreuungsangebot nehmen?

Ob die Schüler ihre Schule wohl so schön finden, dass sie auch die Sommerferien dort verbringen wollen? Der Stammbuchsatz des Ministerpräsidenten klingt markig und familienfreundlich, aber welche praktischen Konsequenzen wird er haben?

Kategorien
Politik

Unentgeltlich – Lernmittelfreiheit und Sprachförderung

Den Stuttgarter Nachrichten ist es (am 14.10.09) die Schlagzeile auf der ersten Seite wert: Die Bürger seien zu anspruchsvoll; sie wollten ein „Rundum-Sorglos-Paket“ von den Städten und Gemeinden. Das aber sei unbezahlbar. So jedenfalls hat sich ein Sprecher der Kommunen geäußert. Zur Verdeutlichung der Anspruchsmentalität werden unter anderem genannt: die Lernmittelfreiheit und die Sprachförderung.

Die Lernmittelfreiheit hat in Baden-Württemberg Verfassungsrang: „Unterricht und Lernmittel an den öffentlichen Schulen sind unentgeltlich“, heißt es im Artikel 14 der Landesverfassung. Das bedeutet in der Praxis, dass alle für den Unterricht notwendigen Materialien (Schulbücher, Arbeitshefte, Lektüren, Chemikalien, Taschenrechner, Malpapiere und dergleichen) kostenlos zur Verfügung zu stellen sind. Ausgenommen sind persönliche Gegenstände wie die Schultasche, die Turnschuhe und das Schreibmäppchen oder Gegenstände, die wenig mehr als einen Euro kosten (z. B. Hefte, Radiergummi, Geodreieck). Diese Regelung ist von den Müttern und Vätern der Verfassung mit Bedacht formuliert worden; denn der Schulbesuch soll für alle erschwinglich sein.

Ganz nebenbei: Die Schulträger, die Städte und Gemeinden, erhalten für jeden Schüler vom Land einen Zuschuss. Der reicht für die Lernmittel allemal und auch für etliche Lehrmittel.

Die Sprachtests bei Vierjährigen und die darauf aufbauende Förderung sind unabdingbar, wenn wir nicht wollen, dass schon beim Eintritt in die Schule das lebenslange Scheitern der Kinder aus spracharmen Elternhäusern feststehen soll. Denn offenbar schafft es nicht einmal die Grundschule, die immerhin eine „Gesamtschule“ ist, die Defizite in der Sprachkompetenz abzubauen. Das muss vorher geschehen. Wenn die Städte dafür kein Geld zu haben meinen, muss das Land auch hier unterstützend eingreifen.

Lernmittelfreiheit und Sprachförderung sind denkbar schlechte Beispiele für das Anspruchsdenken der Bürger.