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Unmaßgebliche Meinung

Die Zeitung will, dass ich eine Meinung zur Sinnhaftigkeit des Konjunkturprogramms II habe (Stuttgarter Nachrichten, 11.8.09). Grundlage der Meinungsbildung sind Informationen. Was weiß ich also?

Eigentlich wenig. Beim Bund liegen, auf einer Art Girokonto, wie zu lesen ist, etliche Milliarden und warten darauf, abgerufen und ausgegeben zu werden. Das geschehe allerdings noch eher zögerlich, heißt es. Das nun wiederum ist verständlich, denn die meisten Projekte, in die das Geld fließen soll, sind zumeist noch im Anfangsstadium. Man musste sie zunächst planen, dann beschließen, dann ausschreiben, dann den in Frage kommenden Firmen den Zuschlag geben. Danach konnte oder kann man anfangen zu bauen, zu reparieren, zu sanieren. Der Bund zahlt aber erst, wenn das Projekt abgeschlossen und abgerechnet ist. Das kann dauern.

Ich soll also eine Meinung dazu haben, ob die Mittel des Konjunkturprogramms II sinnvoll ausgegeben werden. Das will ich doch stark hoffen. Es wäre ja ein Skandal, wenn im Land Baden-Württemberg Geld in Sinnloses flösse. Ich unterstelle also, das Geld wird für die Sanierung von Gebäuden und Einrichtungen verwendet, die es nötig haben. Ganz obenauf stehen dabei Kindergärten und Schulen, Bäder und Bibliotheken. Da bin ich natürlich sehr einverstanden. Ob allerdings jede Maßnahme sinnvoll ist, weiß ich nicht; denn wie sollte ich als Bürger prüfen, ob die Reparaturen an der Schule A dringlicher sind als die am Kindergarten B?

Aber die Grundfrage ist nicht, ob es vertretbar ist, öffentliche Einrichtungen im Schuss zu halten. Das ist selbstverständlich. Die Grundfrage lautet: Ist das Konjunkturprogramm II sinnvoll, das heißt erfüllt es seinen Zweck, die Konjunktur anzukurbeln? Das weiß ich nicht. Nicht einmal die Politiker und ihre Fachleute wissen es. Sie behaupten es nur. Wissen werden wir es erst in ein paar Jahren, wenn alle Daten ausgewertet sind.

Die Antwort auf die Meinungsfrage der Zeitung lautet also: Ich habe keine, weil ich noch gar keine zu haben in der Lage bin, die sich auf solide Informationen stützen könnte.

Im Übrigen: Welchen Sinn hat meine Meinung zu etwas, das längst beschlossen und umgesetzt wird? Keinen.

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Unheilige Religion: Fußball

Das Sonntagsblatt, das keine religiöse Postille, sondern die siebte Ausgabe unserer Tageszeitung ist – Sonntag Aktuell – thematisiert (am 9.8.09) den Fußball und nebenbei auch die Religion, indem sie beides in Beziehung bringt: Fußball sei für viele Menschen wichtiger als die Religion.

Man könnte die Aussage zuspitzen: Fußball ist für viele die Religion, denn mit ihm lebt man am Wochenende auf, von ihm lässt man sich „erfüllen“, über ihn spricht man und erregt man sich, ihn nimmt man wichtiger als vieles andere.
Diese Begeisterung über den Fußball – wie merkwürdig, dass in „Begeisterung“ das Wort „Geist“ vorkommt – müsste bei den Kirchen Neid auslösen. Wenn Kinder Fußball spielen, sind sie voll und ganz bei der Sache, sie geben ihr Bestes, sie werden aus Einzelkämpfern zu Spielern im Team, sie regen sich über einen „Fehlpass“ oder ein böses Foul auf; denn das sind schlimme „Sünden“. Aber sie freuen sich auch über gelungene Spielzüge und gar Tore und loben den Erfolgreichen, umarmen ihn, jubeln gemeinsamüber ihren Erfolg – ein Jubelchor der besonderen Art.

Dieses chorische Verhalten kann man auch in den großen Stadien, beim Profi-Fußball, erleben, und zwar nicht nur auf dem Rasen, sondern vor allenm auf den Rängen. Da finden sich Menschen emotional zusammen, die einander vorher fremd waren: sie schreien, sie leiden, sie freuen sich. Beim Fußball werden viele zu solchen Menschen, die sie in der Kirche eigentlich sein sollten. Dort, auf den Fußballplätzen, wird sogar über Entscheidungen der Obrigkeit, der Schiedsrichter, heftiger diskutiert als in den Kirchen über die Verlautbarungen der Kirchenoberen.

Im Gottesdienst geschieht derlei selten und wenn doch, dann eher verhalten. Ich wünsche der Religion mehr Fußballstimmung.

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Unpädagogische Nichtversetzung 2: Vorschlag

Mir wurde gesagt, es sei leicht, gegen die Versetzung und vor allem Nichtversetzung zu polemisieren, ohne eine Alternative zu beschreiben. Offenbar fällt es vielen hierzulande schwer, sich eine Schule vorzustellen, die ohne dieses Instrument auskommt. Daher will ich nun ein paar ergänzende Gedanken zu diesem Thema äußern.

Man kann in Deutschland nicht einfach etwas abschaffen, man kann es nur behutsam ändern, sonst ist die Erregung zu groß. Daher schlage ich vor, die Versetzungsordnung von Baden-Württemberg zunächst nur ein wenig zu ändern. Dabei bleibe ich der Einfachheit halber beim Gymnasium. Es gibt eine Regelung, die man Versetzung auf Probe nennt. Sie gewährt einen Aufschub, eine „Gnadenfrist“, von etwa einem Vierteljahr. Etwa Mitte Oktober, also rund vier Wochen nach dem Beginn des neuen Schuljahrs wird jemand, der nach seinen Noten vom Juli eigentlich nicht versetzt werden konnte, noch einmal schriftlich und mündlich geprüft. Er muss nach der Probezeit zeigen, dass er in den Fächern, die mit einer nicht ausreichenden Leistung abgeschlossen wurden, sowohl die wesentlichen Kompetenzen des vorausgegangen Schuljahrs erworben als auch den neuen „Stoff“ insoweit verstanden hat. Diese Prüfung wird benotet. Die neue Note, die „Oktober-Note“ ersetzt die vom Juli. Die Versetzungsentscheidung wird dann auf dieser Grundlage neu getroffen. Wer es nun geschafft hat, darf in seiner Klasse bleiben, ist also doch noch versetzt worden.

Mein Vorschlag: diese Regelung, die bisher eine eher seltene Ausnahme darstellt, zum Normalfall erheben. Will die Klassenkonferenz davon abweichen, muss sie das einstimmig wollen und begründen.

Bei der Versetzung auf Probe ist nach der geltenden Regelung eine Zielvereinbarung mit dem Schüler zu treffen. Das ist eine Art Programm zum Nachlernen. Ich würde dem auf Probe Versetzten zusätzlich einen Tutor zur Seite stellen, der ihn laufend berät.

Und wer tatsächlich ein ganzes Schuljahr wiederholen soll, mit dem wird ebenfalls eine Zielvereinbarung getroffen, auch er bekommt eine ständige beratende Begleitung. So könnte der Erfolg der Wiederholung steigen. Und nur so sehe ich einen Sinn im Wiederholen eines ganzen Schuljahrs.

Da jede vermiedene Wiederholung des Schuljahrs dem Staat Geld spart, könnte ein Teil davon dazu verwendet werden, die Tutoren zu honorieren.