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Verschlüsseltes Abitur

Um der Gefahr vorzubeugen, dass Abituraufgaben aus verschlossenen Tresoren geklaut werden, setzt das Kultusministerium auf einen verschlüsselten USB-Stick. Der wird am Prüfungsmorgen um sechs Uhr entschlüsselt. Der PC druckt die Aufgabenblätter aus und der schuleigene Kopierer druckt sie aus. Dann setzt man sich an einen Tisch und heftet die Blätter in der richtigen Reihenfolge zusammen. Um neun Uhr ist man fertig und das Abitur kann beginnen. Und das soll sicherer sein? Der Stick muss auf jeden Fall einige Tage vor der Prüfung in den Schulen ankommen. Und wann kommt das Passwort? Per E-Mail am Prüfungstag, kurz vor sechs? Wo ist der Stick zu lagern? Im Tresor. Ist er dort sicher? Egal, meint die Behörde, er ist ja verschlüsselt. Haben die schon mal was davon gehört, dass die Entschlüsselung von Verschlüsseltem für einen halbwegs begabten Informatiker (Schüler?) kein allzu großes Problem darstellt? Und man merkt das vielleicht gar nicht. Der Stick wird entschlüsselt, die Aufgaben werden kopiert und dann setzt man die Verschlüsselung wieder in Kraft. Unmöglich? Nichts ist unmöglich. Im Übrigen: Soll die Schulleitung das Klammern von Aufgaben alleine machen? Wer hilft? Sind die Helfer zuverlässig? Natürlich – es sind Beamte. Am besten, man nimmt die Fachlehrer, deren Prüfung am selben Tag ansteht. Dass der Kopierer streikt, weil er verstopft ist, weil es an Toner mangelt, geschenkt. Und wo steht der Kopierer? Im Lehrerzimmer. Da geht gar nicht. Er muss für die Tage der Prüfung ins Rektorat. Und die Kollegen, die nur mal eine Klassenarbeit kopieren wollen, gehen am besten zum Kopierladen um die Ecke (oder ein paar Straßen weiter). Zahlt der Schulträger diese Kosten? Wahrscheinlich nicht. Fragen über Fragen.

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Inflationäre Gutnoten

Das Phänomen ist bekannt: Die deutschen Abiturnoten beruhen auf unterschiedlichen Leistungsanforderungen in den einzelnen Ländern. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen ist es ihnen nicht gelungen, die Anforderungen in der gymnasialen Oberstufe so anzugleichen, dass man von „Gerechtigkeit“ reden könnte. Manche werden sich an die Zeiten des Bonus und Malus erinnern, den Abzügen und Zuschlägen zum Numerus Clausus, mit denen die Länder ihren Landeskindern bessere Chancen verschaffen wollten. Dass die Ergebnisse beim Abitur ständig besser werden – kaum jemand ist nicht „gut“ – beruht keineswegs auf besseren Leistungen, sondern auf dem freundlichen Entgegenkommen der Schulverwaltungen, dem sich auch die korrigierende und bewertende Lehrerschaft nicht verschließen kann. Wenn angesichts dieser bundesweiten Ungerechtigkeit nun der Deutsche Philologenverband fordert, über die Bedeutung der Note „sehr gut“ nachzudenken, hat er Besseres verdient als routinierte Politikerreaktionen („Eisenmann gegen …“). Wann ist eine Leistung besser als gut, also „sehr“ gut? Das ist seit 1968 so definiert: wenn sie den Anforderungen „in besonderem Maße entspricht“. Nun ist diese Definition leider nicht sehr aussagekräftig. Klar aber ist: ein Sehrgut kann es nicht dafür geben, dass jemand „alles richtig“ gemacht hat, es muss noch etwas „Besonderes“ bei der Lösung hinzukommen, ein wenig Genialität oder wenigstens Originalität. Es wäre „gut“, wenn die KMK sich mal wieder an ihre eigenen Festlegungen erinnern würde. Und „sehr gut“ wäre es, wenn sie sich nicht nur zu einer neuen, präziseren, bundesweit vergleichbaren und damit gerechten Notendefinition durchringen, sondern auch noch die Erwartungen in der gymnasialen Oberstufe vereinheitlichen könnte.

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Zunehmender Leistungsrückgang

Eine eher absurde Statistik legen uns die Zeitungen heute vor. Die Abiturnoten in Brandenburg und Bayern seien in den letzten Jahren immer besser geworden, die Zahl der Abiturienten mit 1,0 unaufhörlich gestiegen, nur nicht in Baden-Württemberg. Das deuten sie als weiteres Indiz für die Schwäche des hiesigen Schulsystems. Zu Unrecht, wie Häckerling findet. Wenn die Noten besser werden, heißt das in der Regel nur, dass die Anforderungen gesunken oder die Bewertungen milder geworden sind. Aus besseren Noten eine Steigerung der Leistung abzuleiten wäre reichlich naiv. Man kann dem Land allenfalls vorwerfen, dass es im Absenken der Erwartungen an die Absolventen mit den anderen Ländern nicht Schritt gehalten hat. Ein solcher Wettbewerb ist gefährlich. Das Niveau des Abiturs ist – nach allem, was man hört und liest – beklagenswert gesunken. Die Noten stehen dazu offenbar im umgekehrten Verhältnis: Je schlechter die Leistung desto besser die Noten. Aber das kann das Ziel der Schulpolitik nicht sein. Kluge Mathematiker könnten durch Hochrechnung ermitteln, in welchem Jahr alle Abiturienten mit 1,0 abschließen werden. Hier ein paar Vorschläge zu Beschleunigung dieses Prozesses: Weitere Abstriche in den Anforderungen sind dabei immer hilfreich. Oder wie wäre es mit einem völligen Verzicht auf die Prüfung? Man könnte es auch so machen: Von jedem Schüler und auch jeder Schülerin kommen die 12 besten Leistungen seiner oder ihrer Schulzeit in die Abitur-Wertung. Das müsste uns dem großen Ziel, dass endlich alle „sehr gut“ sind, rasch näher bringen.