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Über Stifter

Damit kein Missverständnis aufkommt: Es geht hier nicht um Geldgeber, sondern um den Schriftsteller Adalbert Stifter und vor allem um dessen späten Roman „Der Nachsommer“. Das Werk ist schon über 150 Jahre alt und noch immer für eine literarische Kontroverse gut. Bereits Stifters Zeitgenossen fanden ihn überwiegend langweilig. Friedrich Hebbel goss seinen Spott darüber aus. Und Thomas Bernhard lässt in „Alte Meister“ Hasstiraden gegen Stifter sprechen. Der Misserfolg machte dem Autor offenbar ziemlich zu schaffen. Doch heute sehen manche deutlicher das Schöne dieses Buches.

Der Roman braucht besondere Leseumstände. Er verlangt Zeit und Ruhe. Jede Hast ist ihm fremd. Auch der Verfasser dieses Blogs fand die erst, als sich sein Leben krankheitsbedingt verlangsamte. Er hat den „Nachsommer“ während einer Reha-Phase gelesen, in kleineren Abschnitten, aber mit einer unerklärlichen, wachsenden inneren Anteilnahme. Dabei passiert eigentlich so gut wie gar nichts, doch: am Ende wird geheiratet, aber das ist eigentlich gar nicht so wichtig. Was aber ist es dann?

Dieser Frage geht Arnold Stadler in seinem 2005 veröffentlichten, 2009 als Taschenbuch erschienenen Büchlein „Mein Stifter“ nach. Ist es Zufall, dass Stadlers Initialen mit denen von Stifter übereinstimmen? Dass er, der südbadische Autor aus katholischem Milieu, der Büchner-Preisträger von 1999, sich mit dem Österreicher beschäftigt, ist sicher kein Zufall. Stadler findet bei Stifter vieles wieder, was auch ihn beschäftigt. Er legt uns dar, in welchem Wust von Problemen Stifter steckte: finanziellen (er gab zu viel Geld aus), psychischen (er hatte die Fresssucht und dergleichen Störungen mehr) und emotionalen (das missliche Verhältnis zu „seinen“ Frauen). Und er weist auf Stifters Selbsttötung (1868) hin. Ein lesenswertes Buch für „Nachsommer“-Freunde, auch wenn es in seiner Machart weit weg ist vom germanistischen Arbeitsethos.

Für Stadler ist „Der Nachsommer“ eine Art Utopie, eine Gegenwelt zur bedrohten Stifter’schen Alltagswelt. Im Roman gelingt, was dem Autor misslingt. Dort schafft er eine beruhigende Ordnung, während sein eigenes Leben oft ins Chaotische versinkt. Doch trotz seiner wunderbaren Sprache, den detailliert beschriebenen herrlichen Landschaften, den klug, gut und sinnvoll geschäftig gezeichneten Menschen hat das Werk etwas Wehmütiges, meint Häckerling.

(Blog-Eintrag Nr. 146)