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Banken und Moral

Die Ausgabe Nr. 29 der ZEIT ist geeignet, die Zahl der wütenden Bürger deutlich zu vermehren. Denn sie schürt die Wut über die Banken. Nur am Rande findet der Skandal Erwähnung, dass die normalen Sparer von der deutschen Finanzagentur weggemobbt werden. Es wird keine Tagesanleihe des Bundes mehr geben. Damit sie möglichst schnell verschwinden, wurde der Zins heute (12.7.) auf 0,0% gesetzt. Auch die einst so beliebten Bundesschatzbriefe werden gewöhnlichen Bürgern nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie sollen sich, wenn sie denn sparen wollen, gefälligst an ihre Bank wenden. Aber das ist nur eine Randnotiz.

Was die ZEIT auf Seite 1 zur Moral der Bankmenschen sagt, übertrifft in der sprachlichen Schärfe alles bisher dazu Verlautbarte: Die Bankleute haben, so ist zu lesen, die Demokratie gedemütigt und den Bürgern gezeigt, dass nicht nur sie selbst, sondern auch die Politiker ihnen gegenüber ohnmächtig sind – siehe Notheis und wie er sein Zirkuspferd Mappus vorgeführt hat. Die Bankmenschen handeln, so schreibt Jens Jessen, „verantwortungslos“. Ihre „Gier“ übertreffe alles, was wir uns bisher vorstellen konnten. Die ZEIT nennt das „charakterliche Deformation“. Und das Zynische daran ist: Wenn diese Typen versagen, werden sie sogar noch dafür belohnt. Für Menschen bei der Bank bedeute der Slogan von der Leistung, die sich lohnen soll: „Rücksichtslosigkeit, Lüge, Frechheit und Betrug“.

Die südeuropäische Haushaltsschlamperei sei, so lese ich, vergleichsweise harmlos gegenüber der nordeuropäischen Bankenschlamperei, sagt die ZEIT mit Blick auf London. Ihr, der Finanzwirtschaft, könne „höchstens eine Revolution ein Ende bereiten“. Ein verschlüsselter Aufruf zur Revolution! Und so etwas steht in einer bürgerlichen Wochenzeitung!

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Beratlosigkeit

Die Berater der Banken sind in der Krise. Sie fühlen sich nicht wohl unter dem Druck ihrer Vorgesetzten, denn die wollen jeden Tag wissen, was sie geleistet, das heißt, wie viele Gespräche sie geführt und wie viele Verträge sie abgeschlossen haben. Das und noch mehr verrät uns die Zeitung von heute (Stuttgarter Nachrichten, 8.9.10). Und sie fragt mich, ob ich mich gut beraten „fühle“ von meiner Bank. In der Tat: um mehr als ein Gefühl kann es sich da schwerlich handeln.

Kein schöner Job, dieses Dasein als Berater. Man soll den Leuten, die Geld anlegen wollen, sagen, wie sie das am besten tun könnten. Am besten, das heißt so, dass sich das Geld vermehrt und nicht vermindert. Aber woher sollen die Damen und Herren Berater wissen, wohin die Reise der Finanzen und der Wirtschaft geht? Sie müssen sich da auf den Rat der Großen ihrer Branche verlassen. Und wissen diese Auguren, was die Zukunft bringen wird? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Wenn sie es in der Vergangenheit – also z. B. 2008 – gewusst, aber bewusst verschwiegen haben, sind sie zu tadeln. Und wenn sie es nicht gewusst haben? Dann ebenfalls. Denn was haben sie uns anderen, den gemeinen Ratlosen, in diesem Fall noch voraus?

Dass sie angesichts dieser Unwissenheit ihren Kunden einfach nur das verkaufen, was ihnen und der Bank etwas einbringt, wer möchte ihnen das verdenken. Sie können den Anlegern das Risiko des Verlustes nicht nehmen. Warum sollten sie dann nicht wenigstens den Gewinn ihres Unternehmens im Auge haben?

Noch kein Berater hat mir den uralten Rat gegeben, das Geld in den altbekannten „Sparstrumpf“ zu legen. Damit wäre ich gut beraten gewesen. Hätte ich das vor ein paar Jahren gemacht, wäre ich heute um ein paar Euro reicher. Aber was soll’s? Man darf nicht nur an sich denken. Auch die Banken und ihre Berater wollen leben.

(Blog-Eintrag Nr. 210)

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Konjunktur rauf, Sprache runter

Wenn die Finanzleute mit der Wirtschaft so umgehen wie mit der Sprache, dann wird das schwierig mit dem erhofften Aufschwung. Die „Marktanalyse 2009“ der BW-Bank lässt den Kunden immer wieder ob seiner sprachlichen „Feinheiten“ zusammenzucken. Häckerling bezieht sich auf eine Doppelseite, die von den Verfassern selbst als „Werbemitteilung“ eingestuft wird und „nicht allen gesetzlichen Anforderungen der Unvoreingenommenheit“ genüge. Mit anderen Worten: Die „enthaltenen Informationen“ (nicht enthaltene sucht man auf dem Blatt vergeblich) sind nur mäßig vertrauenswürdig.

Die Bankleute spinnen auf den zwei Seiten sprachliches Stroh zu Scheingold. Da ist vom „finalen Ausverkauf“ des DAX im Frühjahr 2009 die Rede. Wieso „final“ (vom lateinischen „finis“ – Ende)? Die Aktien des DAX wurden auch nach diesem Finale noch gehandelt. Ja, es kam sogar zu einer „Aufholjagd“, wie uns die Schreiber versichern. Dieses Bild kennen wir vom Radrennen; die Zurückliegenden wollen in die Spitzengruppe. Wer aber ist hier, beim DAX, vorne und damit das Ziel der „Aufholjagd“?

Man erwartet als Leser der Analyse eine Antwort auf die Frage, wie es weitergeht mit der „wohl holprig verlaufenden(n) Wirtschaft“ bei den derzeitigen „rekordniedrigen Leitzinsen“? Kein Wort verlieren die Analysten über die Griechen. Sie weisen nur darauf hin, dass sich die „erheblichen Etatdefizite vieler Staaten“ in einem „hohen Angebot an Staatsanleihen niederschlagen“ werden. Noch erfreulicher: Sie erwarten „positive Wachstumsraten“, weil sich 2010 die „milliardenschweren Konjunkturpakete“ – man glaubt es kaum – „entfalten“ werden. Pakete als sich entfaltende Blüten: ein konjunktureller Frühling steht an.

Der Höhepunkt der ökonomischen Wahrsagekunst wird im letzten Abschnitt erreicht. Da erfahren wir, dass „der sich verbessernde Nachrichtenfluss“ (man würde sich eher einen ansteigenden Fluss vorstellen) „von Seiten der Konjunktur“ (eine Art Nebenfluss also) „bis weit in das laufende Jahr fortsetzen“ werde. Auf Deutsch: 2010 gibt es mehr gute Nachrichten über die Konjunktur als 2009. Es wird alles besser. Auch Häckerling freut sich auf diesen „sich verbessernden“ Nachrichtenfluss.

(Blog-Eintrag Nr. 155)